piwik no script img

der zuckerberg | teil 8Hofschranzen

Facebook. Ein alter Hut mit vielen bunten Federn. Angesichts der versammelten Pracht von Schreiadler, Vollmeise, Schluckspecht, Trollvogel sowie praktisch sämtlichen Kauzarten soll diese Serie für den nötigen Durchblick sorgen

Die Berufsprominente Verona Pooth verkündet in den Medien ihren Abschied von Facebook. Der Grund: Zwei Mitarbeiter seien täglich zwei Stunden dabei, die schlimmsten Hasskommentare zu löschen.

Natürlich ist das auch eine Art von Auszeichnung. Ich könnte davon nur träumen. Sowohl auf Facebook als auch bei taz.de habe ich vergleichsweise himmlische Ruhe. Nur wenn ich mal ein paar Dinge beim Namen nenne, jault eine eigenartige Allianz aus Nazis und linken Kellerlachern auf. Leute, wenn ihr euch schon so einig seid, dann fickt euch doch und zeugt braun-rot gestreifte Kellerkinder. Doch so ein dünnes Scheißstürmchen ist für mich leider bereits das höchste der Gefühle. Sonst bleibt mir meistens nur der Irre, der mich jedes Mal mit seinem kryptischen Gefasel mobbt. Selbst schuld, denn auch Abneigung ist eine Form der Aufmerksamkeit, die man sich erst verdienen muss.

Man kann es in dieser Disziplin auch viel weiterbringen als Pooth. So hat es ein Typ geschafft, dass sein Vorname seit über 70 Jahren nicht mehr an Kinder vergeben wird, außer in Österreich und, wie man von dortigen Spielplätzen hört, neuerdings auch in Prenzlauer Berg – Distinktionswahn schlägt Völkermord. Mein persönlicher Traum wäre ja, dass auf einen Beitrag von mir hin kein Kind jemals mehr Ulrich genannt wird.

Ein feines Patentrezept zum Ernten allgemeiner Ablehnung gibt es aber doch: wenn man auf Facebook in das Profil fremder Prominenter eindringt wie in ein Wespennest und Posts der Götter kritisch kommentiert. Egal, ob auf den ersten Blick so gegensätzliche Figuren wie Anne Wizorek oder Ulf Poschardt – wer ihre Aussagen öffentlich hinterfragt, gilt offenbar per se als Troll und wird dann unter dem willfährigen Beifall Dutzender Hofschranzen heruntergeputzt. Das Argument ist ein scharfes Schwert, das im Schrank verstaubt. Aber es macht Mut, dass sich die Geschlechter in diesem Punkt kaum noch unterscheiden, und weckt Hoffnungen auf eine zukünftige Gesellschaft völlig gleichberechtigter Arschlöcher.

Obwohl ich deshalb in der Regel lieber Katzenfotos oder Selfies poste (was in meinem Fall fast dasselbe ist), juckt es mich eben manchmal doch, mich dieser virtuellen Lynchjustiz auszuliefern. Negative Netzkommentare sind ein Schlammbad für die Seele. Es stinkt, weckt Assoziationen mit Fäkalien und ist doch reinigend und gesund. Man lernt Demut. Oft stelle ich mir dabei vor, dass ich von ganz vielen Leuten durchgekitzelt werde und dann ganz doll lachen muss. Verona Pooth kann und möchte sich das nicht vorstellen. Dazu kübeln die Psychos zu viel sexistischen Müll über ihr aus. Uli Hannemann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen