der wochenendkrimi : Mord, Ethik, Altenheim
„Tatort: Außer Gefecht“ (So., 20.15 Uhr, ARD)
Kommissar Menzinger hält einem Greis im Pflegeheim die Hand und singt ihm ein altes Kinderlied vor, während Kollege Leitmayr in einem Fahrstuhl eingeschlossen ist und in Todesangst über das Verhältnis zu seinem jüngst verstorbenen Vater nachdenken muss: „Warum soll ich einem den Arsch abwischen, der meinen nur verprügelt hat?“
Komplexer Stoff wird in dieser „Tatort“-Episode auf engstem Raum verhandelt: Die aktive Sterbehilfe, den Pflegenotstand und das Unverständnis zwischen den Generationen hat man hier zu einem Krimiduell verdichtet, das zum Großteil im stecken gebliebenen Fahrstuhl des Münchner Olympiaturms spielt.
Hier hat Leitmayr (Udo Wachtveitl) jenen rätselhaften „Todesengel“ (Joachim Schüttauf) verhaftet, der zwölf alte Menschen in den Tod gespritzt haben soll. Doch wie sich herausstellt, hat der Gestellte seine Festnahme selbst vorbereitet und in Szene gesetzt. Im Fahrstuhl führt er nun mit dem Ermittler, dem er einen lähmenden und schmerzenverursachenden Stoff gespritzt hat, eine Debatte über Leben und Tod.
Dass diese gewagte Erzählkonstellation (Buch: Christian Jeltsch) aufgeht, ist vor allem der sicheren Hand Friedemann Fromms zu verdanken. Der Regisseur hatte vor kurzem schon mit einem anderen Krimi-Kammerspiel zum genauen Hinhören und -schauen gezwungen: In der sensationellen „Sperling“-Episode „Die Katze in der Falle“ ließ er einen vermeintlichen Päderasten sprechen und zwang so das Publikum zur Überprüfung der eigenen Urteilsfähigkeit.
Auch in diesem „Tatort“ setzt Fromm ganz auf die Mündigkeit des Zuschauers: Ist der „Todesengel“ ein Wohltäter oder spielt er sich in Selbstüberschätzung als Herr über Leben und Tod auf? Es werden gute Gründe für sein Handeln genannt, doch man bekommt keine einfachen Legitimationen serviert. Der kurze, aber effiziente Schwenk ins Altenheim in der Mitte des Films zeigt das Grauen einer Pflegeindustrie, die ihre Kunden zur Gewinn-Erwirtschaftung möglichst kostengünstig am Leben hält, ihnen dafür aber keine würdevolle Sterbebegleitung ermöglicht.
Ein toller Diskursthriller für jeden Zuschauer, der nicht halb tot vor dem Fernseher sitzt. CHRISTIAN BUSS