der sprechende tortenboden von EUGEN EGNER :
Meine Eltern schickten mich eine Sahnetorte kaufen. Ergeben betrat ich die Konditorei, schmiss eine Handvoll Münzen von meinem Taschengeld auf den Tisch und rief: „Hier ist Geld. Ich verlange eine Sahnetorte!“ Dann sammelte ich das Geld schnell wieder ein. Die greise Konditorin sah mich kopfschüttelnd an. „Bedaure“, sprach sie, „aber die Torte ist verliehen.“ – „Verliehen?“, schrie ich, um mein junges Leben fürchtend. Nie würden die Eltern es hinnehmen, wenn ich mit leeren Händen statt einer Sahnetorte zurückkehrte. Die Konditorin erklärte mir, dass ich an diesem Tag nur einen klingenden Tortenboden aus einer übergeordneten Dimension bekommen könne. Wenn dieser abgespielt würde, erklängen meine amourösen Abenteuer allüberall. Das machte mich ein wenig neugierig. Indem ich noch unschlüssig dastand, mahnte sie: „Beeilen Sie sich bitte mit Ihrer Entscheidung, ich schließe gleich. Wenn ich nicht pünktlich Feierabend mache, kriege ich Prügel von meinem Stockschirm.“
Sie wies zur Wand, wo der Schirm festgebunden war. Ich sah ihn nicht gleich und musste die ganze Wand abtasten. Auch wollte das Geld nicht recht den Besitzer wechseln. So verloren wir wertvolle Zeit, der Ladenschluss verzögerte sich durch meine Schuld. Da riss sich der Schirm aus der Wandhalterung los. Erbarmungslos drosch er auf die greise Konditorin ein. Diese rief mir mit schwacher Stimme zu: „Gehen Sie! Schnell, bevor er Sie aus dem Laden knüppelt!“
Ich riss den Tortenboden an mich und entkam mit knapper Not. Zu Hause hieß es dann: „Ist das vielleicht eine Sahnetorte?“ Während mein Vater mich mit dem Stockschirm wandauf, wandab durch die Wohnung jagte, erklärte ich meinen Eltern, worum es sich handelte. Unverzüglich wandten sie ihr Interesse dem Tortenboden zu und wollten zum Abspielen des Tortenbodens schreiten.
Ich sollte zum besseren Verständnis des Folgenden vielleicht anmerken: Es war damals gerade die Zeit der berühmten, sich selbst organisierenden und zerstörenden Plattenspieler. Auf so einem gefährlichen Ding einen klingenden Tortenboden aus einer übergeordneten Dimension abzuspielen, erschien uns entschieden zu riskant, deshalb baute mein Vater vorsichtshalber schnell einen eigenen Phonographen.
Wir waren ziemlich aufgeregt, als es dann soweit war, und die Nadel sich auf den rotierenden Tortenboden senkte. Eine blecherne Stimme ertönte: „Hallo, hallo, dies ist der drahtlose, sprechende Typ Tortenboden. Auf der Rückseite hören Sie die amourösen Abenteuer eines Kindes. Auf Wiederhören auf der Rückseite!“ In Windeseile drehte mein Vater das Ding um. Beim abermaligen Aufsetzen der Nadel explodierte leider der selbst gebaute Plattenspieler mitsamt dem Tortenboden.
Zwar gab es damals einen primitiven Spezialkleber für explodierte Plattenspieler und tönende Tortenböden aus übergeordneten Dimensionen, aber es hätte zehn Jahre gedauert, bis wir meine Abenteuer hätten hören können. Neun Jahre wären vergangen, bis wir die Krümel alle zusammengeklebt hätten, und ein Jahr hätte der Kleber zum Trocknen gebraucht. Resigniert warfen wir alles weg.