der sechste Tag :
Als geradezu unverwüstlich gut gelaunt gilt Claude Chabrol, der am Sonntag mit der Berlinale-Kamera geehrt wurde. Der Altmeister des französischen Thrillers, der 1959 für „Schrei, wenn du kannst“ den Goldenen Bären gewann, sagte diesmal, er brauche keinen Goldbären mehr, jetzt sollten jungen Filmemacher gefördert werden. Dass sein neuer Film „Bellami“ sich als Langweiler entpuppte, mochte man angesichts seines verschmitzten Charmes fast verzeihen. Solche Nachsicht braucht er wahrscheinlich nicht: Manoel de Oliveira, mit 100 Jahren gewissermaßen der dienstälteste Filmregisseur der Welt, wird heute seinen neuen Film „Die Eigenheiten einer jungen Blondine“ vorstellen. Der Held des Films handelt nach dem Sprichwort: „Was du deiner Frau und deinem bestem Freund nicht erzählst, das erzähle einem Fremden in der Schankwirtschaft.“
Womit man beim Thema Beichten wäre, das diesmal die britische Regisseurin Sally Potter zu einer sehr skurrilen Form inspiriert hat: Alle ihre Protagonisten ihrer Satire „Rage“ über die Eitelkeiten der Modebranche legen eine Beichte vor der Webcam eines übergewichtigen Computerkids ab. Mit Judi Dench, Jude Law und Steve Buscemi weist „Rage“ zwar eine außerordentlich hohe Stardichte auf, doch trotzdem mag kaum einer den Film. Es ist ihm nicht mal gelungen, den Glamourfaktor der Berlinale hochzuschrauben.
Neue Filmsprachen zu entdecken kann ja das schönste Erlebnis eines Filmfestivals sein. Der erste Spielfilm von Adrián Biniez aus Argentinien, „Gigante“, erfüllte im Ansatz diese Erwartung. Selten hat sich ein Film so auf die Arbeitswelt konzentriert wie diese Geschichte um einen Sicherheitsmanns, der sich via Überwachungskamera in eine Putzfrau im Supermarkt verliebt.
Als ein Work in progress, einen noch nicht ganz fertiggestellten Film, darf Michael Winterbottom im Panorama „The shock doctrine“ nach Naomi Kleins gleichnamigem Bestseller zur Aufführung bringen. Das Thema, der Kapitalismus in Zeiten von Katastrophen, verlangt eben einen schnellen Blick.