der rote faden: Gauland, raus aus meinem Hirn!
Durch die Woche mit Nina Apin
Flapp-Flapp-Flapp. Tatütata, hier-könnse-nich-durch-junge-Frau. Als ich am Montagmorgen wie immer quer durchs Regierungsviertel zur Arbeit radeln wollte, stoppte mich eine Phalanx aus Polizeifahrzeugen, bewaffneten Beamten und genervten Mitberlinern, die mürrisch Absperrungen umkurvten. Mein erster Gedanke war: Montag, muss schon wieder was mit Nazis sein.
So sehr habe ich mich daran gewöhnt, dass es montags immer Ärger gibt, weil Leute, die Merkel sowie muslimische Einwanderer vertreiben wollen, die Gegend unsicher machen. Erst als ich vor einem Meer palästinensischer Flaggen und handgemalten „Free Gaza“-Schildern stand, fiel mir wieder ein, dass Netanjahu Berlin und Merkel besuchte. Ausnahmsweise ging es also mal nicht um Leute, die versuchen, die NS-Zeit zum niedlichen „Vogelschiss“ umzudeuten, um sich im Gespräch zu halten. Und trotzdem kamen mir diese Leute, über deren Weltbild ich gerne weniger nachdenken würde, als Erstes in den Sinn.
Gauland, raus aus meinem Hirn, dachte ich und ging ins Kino. Funktionierte gut – bis exakt zum nächsten Morgen, als eine launige Geschichte die Runde machte: Besagtem G wurden beim Baden im (ausgerechnet) Heiligen See die Klamotten geklaut. Der Dieb soll gerufen haben: „Nazis brauchen keinen Badespaß!“ G. ließ sich in karierter Badehose von einer Polizistin nach Hause eskortieren. War das ein lobenswerter Akt des Antifaschismus – oder blöd, weil der Vogelschisser sich jetzt wieder als Märtyrer einer linksversifften Intoleranz fühlen darf?
Seufz, da war er wieder. Und, so viel sei jetzt schon verraten, er und die Seinen blieben auch den Rest der Woche über präsent. Bei der Kanzlerinnenbefragung im Bundestag am Mittwoch tropften die giftigen Attacken der größten Oppositionspartei („Frau Merkel, wann treten Sie zurück?“) zwar ebenso an Teflon-Angie ab wie Fragen zu Kinderarmut/Bamf-Affäre/Handelskrieg. Zu sehen, dass die Demokratieverächter weder der Regierungschefin gefährlich werden können noch die parlamentarische Ordnung durcheinanderzubringen vermögen, war beruhigend – einerseits. Gar nicht beruhigend: Wie sehr das Mindset derer, die Deutschland von islamischer Ein-und Unterwanderung bedroht sehen, schon auf die politische Agenda durchgeschlagen hat. Von Seehofers „Ankerzentren“ bis zum „Unterwerfung“-Themenabend der ARD.
Egal wie sehr Sandra Maischbergers Talk um Differenzierung und Versachlichung rang: Am Ende blieb doch nur wieder hängen, dass „wir“ ein Problem mit „dem Islam“ haben. Und dass wir „unsere Werte“ verteidigen müssen, vom Handschlag mit Frauen bis zum Schwimmunterricht für Mädchen – damit wir in unserer säkularen Laschheit nicht von einer politisierten und letztlich totalitären Religion überrollt werden, so wie es Michel Houllebecq in seinem (fiktionalen!) Roman beschreibt. Ja – man kann durchaus seine Zweifel haben an der angeblichen Gleichberechtigung in einem strikt geschlechtergetrennt funktionierenden Milieu, in dem die Frauen Kopftuch tragen und sich zwischen Supermarkt, Haushalt und Kita bewegen, während die Männer Tee trinken und abends draußen unterwegs sind. Aber man will halt auch nicht, dass die sich dann ein Ei drauf braten.
Aber wer daraus „Beethoven oder Burka?“ (Maischberger, Mai 2017) macht oder fragt, wo denn bei der „Islamdebatte“ die „Toleranz endet“, (Maischberger vom Mittwoch) – der mag sich zwar um Details bemühen; aber allein die zugespitzte Grundannahme, dass „wir“ von „denen“ bedroht sind, kippt eine Debatte über Frauenrechte und Religion, die zu führen ja nicht verkehrt ist, ins Schrille. Die Neuen Deutschen Medienmacher haben sich mal die Mühe gemacht, die einschlägigen Maischberger-Alarmtitel der letzten 10 Jahre aufzulisten. Angesichts dieser stattlichen Terror/Islam/Asyl/Toleranz-Liste, die bei anderen Talkformaten nicht viel kürzer ausfallen dürfte (man erinnert sich, wie oft Herr G. mit seiner Hündchenkrawatte bei Frank Plasberg oder Anne Will saß), fragt man sich, ob es helfen könnte, die Anzahl der Talkformate herunterzufahren, wie der Rundfunkrat fordert. Allein: Beim Themenkomplex Asyl/Einwanderung/Islam haben G. und die Seinen ihre Hysterisierungsagenda schon vollflächig durchgesetzt.
Als am Donnerstag die Nachricht kam, dass ein Mädchen vergewaltigt und ermordet wurde und der Verdächtige nicht nur bereits polizeilich aufgefallen, sondern auch abgelehnter Asylbewerber ohne gültigen Aufenthaltstitel ist, forderte Bild nicht als Erstes Aufklärung darüber, wie der Mann samt Familie unerkannt in den Irak fliehen konnte. Nein, auf Seite eins wird die Regierung aufgefordert, sich bei der Familie der Getöteten zu entschuldigen. G. kann abdanken: Sein Geschäft läuft auch ohne ihn.
Nächste Woche Robert Misik
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