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der rote fadenJamaika-Koalitionäre sind die Ninjas der Leitkultur

Durch die Woche mit Klaus Raab

Wissen Sie, woran ich denken musste, als ich las, dass die Zeitschrift Lego Ninjago zu den großen Gewinnern auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt gehört? An Andreas Scheuer, Thomas de Maizière und Österreich. Wobei ich vielleicht erst einmal sagen muss, was das für ein Magazin ist. Es besteht zu großen Teilen aus Comics, die im Land Ninjago spielen. Dort leben Lego-Ninjas, die gegen das Ultraböse kämpfen. Es gibt Ninjago-Kinofilme, eine Serie und Spielzeug. Vor allem aber ist Ninjago ein Schulhofthema. Speziell die Sammelkarten sind ­hammergute Quengelware. Die Grundschülerschaft investiert relevante Teile ihres ­Taschengelds in diese Karten. Bestimmte davon gibt es aber nur in der Zeitschrift, weshalb man auch diese natürlich dringend kaufen muss. In der Zeitschrift gibt es dann aber, wenn ich das richtig verstehe, urplötzlich auch Aufkleber, die man nun ebenfalls sammeln kann. Und so weiter.

Quengelware

Ich sehe hier einen interessanten Konflikt. Einerseits ziehen sich unsere Kinder diesen Ninja-Kram rein. Andererseits gibt es ja Leute, die finden, dass die Gesichtsverhüllung nicht zu Deutschland gehöre. Der Bundesinnenminister zum Beispiel: „Wir sind nicht Burka“, lautete im April ein zen­traler Satz seiner Thesen zur Leit­kultur. Oder Andreas Scheuer von der CSU. Er twitterte kürzlich: „Das deutsche Verbötchen zur Vollverschleierung muss so wie in anderen ­Ländern Europas ausgeweitet werden.“ Der geneigte Beobachter denkt da an Österreich, wo seit Oktober ein Antigesichtsverhüllungsgesetz gilt. Und was zählt zu dessen bisherigen Praxishöhepunkten? Richtig: die polizeiliche Überprüfung eines verkleideten Ninjas in einem Lego-Geschäft.

Man stelle sich das in Deutschland vor: ein Gesetz, das dazu führt, dass eine der Lieblingsfiguren des deutschen Kindes aus leitkulturellen Gründen in einer Einkaufsmall von einem Sondereinsatzkommando niedergestreckt wird. Eltern kämpfen gegen das Burkaverbot. Die Union wird als kinderfeindlich beschimpft. Grüne setzen sich für Spielzeugkrieger ein. Da wäre was los.

Burka

Wobei, Leitkultur, Lieblingsfigur – wir müssen da auch noch auf einen anderen Kandidaten zu sprechen kommen: Martin Luther. Am Dienstag ist Reformationstag. Nach einem Jahr Jubiläumsvorbereitungshulahula jährt sich dann der Tag, an dem er seine 95 Thesen an eine Kirchentür schlug, zum 500. Mal. Ich habe mittlerweile mitbekommen, dass Luther als prägende Figur deutscher Kultur und Sprache gilt, das Lutherjahr kann also Erfolg vermelden. Zudem soll sich keine Playmobilfigur je besser verkauft haben als die Luther-Figur: schwarzer Mantel, schwarze Mütze, Bibel und Feder in der Hand. Offensichtlich auch gute Quengelware.

Im Zusammenhang mit Luther gibt es nun einen interessanten Konflikt, der an das rührt, was manche für deutsch halten. Einerseits gilt Luther als deutsche Kultur schlechthin. Andererseits wird der Jubiläumsfeiertag am Dienstag ja nicht überall mit Bibellektüre begangen. Der Ort, an dem mir die größte Vorfreude auf den Dienstag zu herrschen scheint, ist der Schulhof. Dort wird allerdings darüber gesprochen, als was man zu Halloween geht. Also zu diesem Fest, ebenfalls am Dienstag, das hierzulande einigen als grässlicher „amerikanischer Kulturimport“ gilt. Ich habe eine Vermutung, welches Halloween-Kostüm in diesem Jahr öfter zu sehen sein wird: der bis auf die Augenpartie verhüllte ultraböse Ninja.

Lutherjahr

Die Frage ist: Was hat die sogenannte deutsche Kultur eigentlich mit dem Alltagsleben in Deutschland zu tun? Wie stehen Burka-Ablehnung und Ninja-Befürwortung, Reformationstag und Halloween im Verhältnis? Ich habe da jetzt auch keine Formel parat, aber wenn ich Deutschland 2017 in eine Szene packen müsste, würde ich diese nehmen: Kinder klingeln am groß begangenen Reformationstag, der für sie aber Halloween heißt, als Ninjas bei Leuten, die Angst vor Burkas haben.

Halloween

Unter diesen Vorzeichen scheint mir dann eine schwarz-gelb-grüne Koalition genau das Richtige zu sein, um das Land zu repräsentieren. Auch auf dem Titel der aktuellen Ausgabe des Lego-Ninjago-Magazins wurde diesbezüglich übrigens eine interessante Botschaft versteckt. Von den Ninja-Figuren, die darauf abgebildet sind, ist eine schwarz gekleidet, eine grün, und eine trägt einen gelben Hut. Es sollte also klappen mit dieser Koalition, der Ninja ist dafür.

Nächste Woche Robert Misik

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