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der rote fadenDer Osten rächt sich wieder. Diesmal: Buchmesse

Durch die Woche mit Daniel Schulz

Der ostdeutsche Schriftsteller musste sich rächen. Es arbeitet in seinem Inneren, denn es gebricht ihm an Anerkennung durch seine westdeutschen Kollegen. Auch, dass es so wenige Ostdeu2tsche in den Vorständen deutscher DAX-Unternehmen gibt, das tut ihm weh. So müsste man das jetzt schreiben, oder? Einen dieser Erklärtexte, die erklären, warum so viele Ostdeutsche die AfD wählen. Oder in diesem Fall: warum ostdeutsche Intellektuelle einen Aufruf unterschreiben, in dem steht, unsere Gesellschaft sei „nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt“, die „unter dem Begriff der Toleranz Intoleranz“ lebe und in der „zum scheinbaren Schutz der Demokratie die Meinungsfreiheit ausgehöhlt“ werde.

Es geht um die Buchmesse in Frankfurt. Dort wurde ein linker Verleger während einer Lesung der zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus pendelnden Zeitung Junge Freiheit geschlagen. Dann haben Unbekannte einen Stand des Verlags Manuscriptum und des Magazins ­Tumult beschädigt und ausgeräumt. Beide haben eine ähnliche Zielgruppe wie die Junge Freiheit.

In ihrem Aufruf, der von der Dresdener Buchhändlerin Susanne Dagen initiiert wurde, interessieren sich die Unterzeichner einen Scheiß für ihren geschlagenen Verlegerkollegen aus dem Westen. Dafür umso mehr für die geklauten Bücher bei den Rechten.

Gesinnungsdiktatur

Zu den Unterzeichnern gehört neben anderen Uwe Tellkamp, der mit „Der Turm“ einen der größten Bestseller der vergangenen Jahre geschrieben hat, gesamtdeutsch übrigens. Der Psycho­analytiker Hans-Joachim Maaz hat mit Büchern wie „Der Gefühlsstau – ein Psychogramm der DDR“ auch den einen oder anderen Euro verdient. Susanne Dagen gewann für ihre Buchhandlung zweimal den Preis des Deutschen Buchhandels.

Sie haben einen Aufruf unterschrieben, der unter anderem dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels unterstellt, er habe zum Literaturklau aufgerufen.

Als Beleg wird eine Mitteilung des Vereins angeführt, in der unter anderem steht: „Wir laden auch Sie dazu ein, die Begegnung mit den Verlagen nicht zu scheuen und für Ihre Meinungen und Werte einzutreten. Meinungsfreiheit heißt auch Haltung zu zeigen. Engagieren Sie sich!“ Was hat der böse Westen diesmal falsch gemacht? Ich hätte gerne einen Erklärtext, von einem oder einer der ostdeutschen KollegInnen, die Ostdeutsche immer dann super verstehen, wenn diese die Rechten super verstehen oder gleich wählen. Ich bin einer der Ostdeutschen, die das nicht verstehen.

Tumult

Vielleicht ist es ja ein gesamtdeutsches Problem. Immer gerne genommen, diese Erklärung. Denn auch im Westen haben sie AfD gewählt, auch diesen Brief haben intellektuelle Restposten von jenseits der Elbe wie Matthias Matussek unterschrieben. Gesamtdeutsches Problem. Nur: Wo saßen noch mal NPD und DVU mit teilweise zweistelligen Ergebnissen im Landtag, bevor es die AfD gab? Wo ist rechtsextreme Gewalt im Vergleich zur Bevölkerung extrem hoch?

Aber lassen wir das, nützt sowieso nichts. Fehlende Anerkennung? Welche Form der Anerkennung soll es denn bitte sein? Politische? Frage: Wie viele westdeutsche Kanzler gab es in den vergangenen zwölf Jahren? Dass ostdeutsche Politiker sonst oft keine große Rolle spielen – könnte das daran liegen, dass es sich viele in Brandenburg und Sachsen gemütlich machen, statt sich den Mühen der Bundespolitik auszusetzen?

Oder soll es Geld sein? Ja, den Soli, den bezahlen auch die Ostdeutschen. Doppelgähn. Aber in Bochum hätten sie mit der Knete sicher auch was anzufangen gewusst.

Literaturklau

Ist es also eher – so ein Gefühl? Na ja. Könnte man sich nicht einfach auf Folgendes einigen: Ja, es gibt viele Arschlöcher unter den Wessis. Mehr als im Osten, denn im Westen wohnen einfach mehr Leute. Ein Großteil hat keinen Blassen, wie es sich anfühlt, eine Minderheit zu sein. Es ist ihnen auch schnurz. Sie sind bis zum Erbrechen selbstgewiss. Sind sie deswegen mehr der Feind als die jungen Männer ostdeutschen Blutes, die nach Feierabend gern mal eure Kinder zusammenschlagen?

Wart ihr, die Unterzeichner solcher Aufrufe und die Erklärer solcher Haltungen, nach der Wende einfach zu alt, das mitzukriegen?

Anerkennung

Führt das zu weit? Sicher. Ich bin ratlos und wütend. Erklärt es mir.

Nächste WocheKlaus Raab

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