der rote faden: Haben Sie das von den Schröders gehört?
Durch die Woche mit Johanna Roth
Über Niedersachsen wissen immer alle gleich Bescheid. Die Klischeeklaviatur aus VW, Pferden, Gülletanks, Grünkohlessen und Schützenfest hält sich hartnäckig, was damit zu tun haben könnte, dass sie die alltagsrealistischen Fixpunkte einer durchschnittlichen niedersächsischen Ortschaft tatsächlich ganz gut umreißt.
Ich weiß das, ich bin dort aufgewachsen. Dabei hat niemand die Kulturtechnik des Trinkens auf ein derart hohes Niveau gehoben wie die Hannoveraner. Für „Lüttje Lage“ werden gleichzeitig ein kleines Glas Dunkelbier und ein Korn gekippt, mit nur einer Hand und bei Könnern sogar abgespreiztem kleinen Finger. Ideal also, um sich unauffällig am Tresen festzukrallen und allerhöchstens angeschickert zu wirken, während man sehr schnell sehr betrunken wird.
Auch aktuell geht in Niedersachsen Außergewöhnliches vor sich, vor der Landtagswahl am Sonntag steht die AfD bei nur mehr 7 Prozent, die SPD gar vor der CDU! Nun werden dort seit jeher die ganz großen politischen Zusammenhänge im Provinziellen verhandelt, im Wendland zerplatzte damals der Energieversorgertraum einer ganzen Welt, und auch jetzt wieder ist internationale Konzernpolitik das Thema, dafür sorgt das ehemalige Powerpaar Schröder.
Kennen Sie noch Doris und Gerd? Als er längst Exkanzler war, tauchte sie plötzlich im letzten Landtagswahlkampf auf und kickte per Kampfkandidatur eine SPD-Parteifreundin aus deren langjährigem Hannoveraner Wahlkreis. Dass sie auf der Landesliste nun nach hinten rückt, weil mit Innenminister Boris Pistorius ihr neuer Lebensgefährte einen besseren Platz braucht, trägt sie im letzten Spiegel mit hingebungsvoller Fassung: „Ich habe da gern Platz gemacht …“
Aber so fein die Work-Life-Balance à la Boris und Doris austariert sein mag: Wie immer, wenn alles neu und aufregend ist, spukt der Ex herum. Mit dem Aufsichtsratsvorsitz beim russischen Energiekonzern Rosneft versüßte er schon Martin Schulz den Wahlkampf zu geschätzt –2 Prozent. Seine Noch-Ehefrau entschied sich nun für die Flucht nach vorn und gab dem russischen Sender Sputnik ein Interview, das sich Wladimir Putin wohl schon in Postergröße übers Tigerfell gepinnt hat. Bei der ersten Begegnung mit ihm hätten sie „die ganze Nacht durchgequatscht“; Schröder meine es nur gut; Putin sei ein kluger Mann, der auch Kritik einstecken könne. Das sehen die eingeknasteten Oppositionellen bestimmt ähnlich.
Genosse Stephan Weil hat gerade erst die VW-Affäre durchgestanden und macht lieber auf harmlosen Landesvater, mit Namenswitzchen hier („Weil vor Ort“) und dort, die SPD-Plakate mit der Aufschrift „ Sturmfest und stark“ hingen natürlich auch nach Sturm „Xavier“ noch. Dabei muss man wissen, dass, ruft man in ein niedersächsisches Erntefestzelt „sturmfest“ hinein, sofort ein fröhliches „und erdverwachsen“ zurückschallt, denn das „Niedersachsenlied“ hat sich seit seiner Entstehung 1934 bestürzend gut gehalten.
Wenn Sie noch Ideen für Halloween brauchen, suchen Sie mal die Version von Heino auf YouTube: Das kalte Grausen eines zackigen „Heil Herzog Widukinds Stamm!“ mit rentnerpunkigem Keyboardbeat drunter verstört nachhaltig jeden außer offenbar Stephan Weil. Ach, hörte er doch besser Element of Crime, die großen Vermessungstechniker der niedersächsischen Seele: „Wo die Neurosen wuchern, will ich Landschaftsgärtner sein.“
Entsprechend probt Niedersachsens Alternative für Deutschland die sich abzeichnende Zerlegung der Bundespartei schon mal im kleineren Maßstab. In dieser Woche allein eine polizeiliche Hausdurchsuchung beim Landeschef, die Spitzenkandidatin wurde aus ihrer Kreistagsfraktion gemobbt – und dann auch noch diese hübsche Nachricht: Griechische Botschaft wirft AfD raus. Zwar handelt es sich nur um das gleichnamige Hannoveraner Lokal für die Wahlparty, aber nun, panta rhei.
Ausgerechnet bei der CDU findet das Gute in der Welt seine Bühne. Deren Primus Bernd Althusmann, Spitzname „Der Panzer“, verriet der Bunten, dass er nachts spontan im Wohnzimmer tanze, inspiriert von einem Aufenthalt in Namibia. Niedersachsen will er zum Avantgardeland machen: „Glasfaserkabel bis zur letzten Milchkanne.“ Die letzte Milchkuh bei uns im Dorf wurde zwar verkauft, als ich selbst noch Kannengröße hatte, aber der Handyempfang ist immer noch genauso mistig. Zum Glück wähle ich inzwischen in Berlin.
Nächste Woche Daniel Schulz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen