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der rote faden Wenn SozisWahlen gewinnen

durch die woche mit

Robert Misik

SPÖ

Buchmesse 2015 ist fast überlebt. Tagsüber wird man von Büchern erschlagen, und nachts ist Partyirrsinn. Schöngeist-Talk in der ehemaligen Villa von Siegfried Unseld, und hinterher hätte ich beim Empfang der Ösi-Verleger gemeinsam mit dem Schriftsteller Albert Ostermaier beinahe vier Nazis verprügelt. Also, genau gesagt, waren es keine wirklichen Nazis, sondern so Nationalreak­tio­nä­re im Ernst-Jünger-Gedächtnislodenjanker, und zweitens hat sie nur Ostermaier beinahe verprügelt, ich hab da, hm, nur ein wenig assistiert. Also, beinahe. Alkohol war auch im Spiel.

Aber für mich war das alles sehr schön, weil ich ja diesmal als Verkünder der guten Botschaft herumcruisen durfte. Mein Buch „Was Linke denken“ (raffinierte Werbeeinschaltung, nicht?) bescherte mir ein paar Talks, und die glitten schnell von den Theorien Gramscis, Adornos, Frantz Fanons, Butlers, Foucaults, Lyotards zu ganz aktuellen Fragen, die aber natürlich mit diesen theoretischen Überlegungen eng verbunden sind, etwa: Wieso hat denn Rot-Grün im Allgemeinen, die SPÖ aber im Besonderen die Wahlen in Wien gewonnen? Als ich die Gründe dafür erklärte, waren alle noch mehr begeistert, etwa am SPD-nahen Vorwärts-Stand. Das hätte doch europaweite Beispielwirkung!, sagten sie. Schreib das auf!, sagten sie. Mach ich, sagte ich.

Wahlkampf

Also, die Sache ist einfach. Die SPÖ in Wien hat sich, angesichts der sogenannten Flüchtlingskrise und dem drohenden Aufstieg der rechtsradikalen FPÖ (die in Umfragen drauf und dran war, die SPÖ zu überholen), nicht dafür entschieden, wie das die Sozialdemokratien in vielen anderen Ländern getan hätten, einfach zu lavieren, sich an eine angebliche Volksstimmung anzubiedern, sich einer imaginierten Mitte anzupassen, sondern sie hat einen klaren, sozialistischen und humanitären Wahlkampf geführt. Das hat zunächst einmal die große Menge frustrierter Sozialdemokraten und demoralisierter unabhängiger Linker aufgeweckt. Herr und Frau Durchschnittssozi, die sich ja meist für ihre eigenen Parteien genieren, waren voller Elan, weil sie plötzlich das Gefühl hatten, endlich gibt’s wieder einen Wahlkampf, in dem man sich mit Recht begeistern kann und wo das Kämpfen lohnt. Das steckte natürlich auch das gesamte Großmilieu an, was wiederum die Wahlbeteiligung auf eine Marke von rund 75 Prozent trieb. Die Sozialdemokraten landeten bei – angesichts widrigster Umstände sensationellen – knapp 40 Prozent, die Grünen bei fast 12 Prozent.

Werte

Die Botschaft dieser Wahl: Steh zu deinen Werten, und du wirst gewinnen. Vor allem dann, wenn diese Werte von einer relevanten Zahl von Leuten geteilt werden, die sich nur danach sehnen, dass sie jemand authentisch und merkbar ernst gemeint vertritt. Selbst ein langgedienter Bürgermeister wie ­Wiens Michael Häupl, der nach fast 20 Jahren im Amt gewiss kaum in der Lage ist, sich als „einer, der ganz anders ist“, also als Jeremy Corbyn, Alexis Tsipras, Pablo Iglesias oder Bernie Sanders zu inszenieren, kann dann an „Echtheit“ gewinnen. Und: Politik ist Konflikt. Geradezu instinktiv hat die Wiener SPÖ ein „wir“ gegen ein „sie“ etabliert – das progressive, das „rote Wien“, gegen die anderen, womit in diesem Fall vor allem die FPÖ gemeint war.

Hegemonie

Und ein kleines Detail darf natürlich nicht übersehen werden: Es war erst die Woge der „freiwilligen Helfer“, also der in der Flüchtlingswelle engagierten einfachen Leute aus der Zivilgesellschaft, die die SPÖ dazu ermutigte – und auch ein wenig drängte. Der sozialdemokratische Bürgermeister hat sich entschieden, „diese Woge zu reiten“.

Das Schöne und das Traurige zugleich ist, dass man dadurch sieht, was eigentlich an progressiven politischen Energien mobilisierbar wäre, was wohl auch darüber hinaus möglich wäre, wenn die Parteien länger und nachhaltiger am Aufbau einer „Hegemonie“ arbeiten würden. Am Vorwärts-Stand habe ich etwas salopp von einem „gramscianischen Wahlkampf“ gesprochen. Was einerseits schon richtig ist. Andererseits: Gramscianischer Wahlkampf ist schon ein Widerspruch in sich, weil man die gesellschaftliche Hegemonie sicher nicht erkämpft, wenn man die Arbeit dafür auf ein paar Wahlkampfwochen beschränkt.

Die Netzwerker in der deutschen Sozialdemokratie, also der „Mitte“-Flügel der SPD, haben ihre Partei gerade in einem dramatischen Appell vor einem „Linksruck“ gewarnt. Ein solcher würde sie an den Rand drängen, Bündnisse mit der „leistungsbereiten Arbeitnehmerschaft“ und dem aufgeklärten Bürgertum behindern. Ich habe gleich mal geguckt, ob die Nachricht vom Postillon oder einer anderen Satireseite stammt. Aber nein, die meinen das echt ernst.

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