der rechte rand : In den unteren Ligen
Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer gezählt – für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.
Bei Bundesligaspielen fallen rechtsextreme Fans mittlerweile seltener auf. Neonazistische Hooligan-Truppen wie „Standarte 88“ aus Bremen sind Ausnahmen, fremdenfeindliche Pöbeleien im Schwinden. Verstärkt und offen treten rechte Hooligans jedoch in den unteren Fußball-Ligen auf. „Wir wissen, mit wem wir es zu tun haben“, erklärt Manfred Radtke, Präsident der „Sportgemeinschaft Dynamo Schwerin“. Auf den Fußballplätzen der Bezirksliga stimmen die Fans nicht nur rassistische Gesänge an. Über einen längeren Zeitraum beobachtete der Verein, dass „größere Gruppen gewaltbereiter Fans“ zu den Spielen kamen. „Offensichtlich entdecken sie den Verein als Betätigungsfeld“, so Ratdke. „Deshalb haben wir vor über einem Jahr das Projekt ‚Fan statt Hooligan‘ entwickelt.“
Das Projekt ist allerdings nicht unumstritten. Im vergangenen September lösten Schwerin-Fans bei der Bezirksklasse-Partie beim FC Schönberg heftige Auseinandersetzungen aus und werden in der Landeshauptstadt auch jenseits des Stadions aktiv: So hat Mike Hartwig von der „Landesweiten Opferberatung für Betroffene rechter Gewalt“ beobachtet, wie sie in Schwerin das alternative Café Subversive angriffen. „Einer der Leiter des Fanprojekts“, so Hartwig, „war dabei als ‚seine Jungs‘ die Inhaber und Gäste erpresst und bedroht haben.“ Gemeint ist Ronny S., der bereits vor drei Jahren wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Laut Spiegel TV hatte S. im August 1992 bei den Krawallen in Rostock-Lichtenhagen mitgemacht. Und der 31-Jährige sei, berichtete das Fernsehmagazin, nicht der einzige Dynamo-Fan, der in der Datei „Gewalttäter Sport“ erfasst ist.
„Von Beginn an war uns klar, dass einige Personen in der Vergangenheit straffällig waren“, erklärt Radtke und hebt hervor: „Das ist auch genau unsere Zielgruppe.“ Andere Vereine, wie Eintracht Schwerin, würden sich dieser Auseinandersetzung nicht stellen. Radtke ist stolz, dass die Gruppe auf „mittlerweile 30 Fans“ gewachsen ist. Fast täglich kämen sie zum kürzlich eröffneten Fantreff. Einmal pro Woche spielen sie Fußball, endlich sei ein Trainer gefunden worden. „Einigen Jungs“ habe er unlängst „Ein-Euro-Jobs“ besorgt, sagt Radtke und rechtfertigt, dass S. die Gruppe mitbetreut: „Auf ihn hört die Truppe.“ An eine Unterwanderung durch NPD oder Freie Kameradschaften mag er nicht glauben. Sechs harte Rechte wären „dabei“, räumt er ein, fragt jedoch zurück: „Sollen wir die ausgrenzen? Müssen wir nicht auf sie zugehen, um etwas zu bewegen?“ Seine Meinung: „Von heut’ auf morgen ändert sich deren Einstellungen natürlich nicht.“ Eine sozialpädagogische Betreuung, räumt er jedoch ein, findet nicht statt.
Geduld zeigen auch die Landesbehörden: Im August übergab Innenminister Gottfried Timm (SPD) 4.800 Euro Fördermittel, bis zu 8.000 sollen noch fließen. Rund 3.200 Euro davon muss der Verein selbst zusammenbringen. Trotz der Kritik, die Cornelia Neumann vom „Mobilen Beratungsteam für demokratische Kultur“ auch an dem Konzept übt. Denn: „Der akzeptierende Ansatz lässt offen, wie ein Umdenken erreicht werden soll.“ Sie hofft auf eine Überprüfung, für hilfreich hielte sie eine externe Beratung. „Wir lassen uns nicht in Misskredit bringen“, verkündet dagegen die Vereins-Website.