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der lothar matthäus der grünen: joseph fischer von WIGLAF DROSTE

Harry Rowohlt ist ein Mann, in dem viel Wahrheit wohnt. Als ihm ein Kölner Buchhändler ganz begeistert erzählte, Joseph Fischer habe bei einer Veranstaltung zweieinhalb Stunden ohne Manuskript gesprochen, konterte Rowohlt: „Klar – Taxifahrer.“ Und in Wien fügte er dem Protest gegen Jörg Haider ein schickes Detail hinzu, das sonst unterschlagen geblieben wäre: „Nichtswürdige Gestalten wie Haider gibt es in Deutschland auch. Bei uns heißen sie Fischer.“

Für gewöhnlich sieht man Joseph Fischer wie eine B-Ausgabe des Banalisten Gerhard Schröder durch seine Fernsehwelt eilen: Krawatte festgezurrt und das Gesicht wie aus dem Rührei gepellt. Fischers karrieristischer Sattelkampf unterscheidet sich allerdings insofern von Schröders Aufsteigergeblähe, als er einer Partei angehört, die auf andere Weise peinlich ist als Schröders Abnickhaufen. Die Sozialdemokratie ist längst so durch, dass sie sich von Schröder und seinen Leuten überallhin führen lässt, in jeden Krieg, zu jeder asozialen Fütterung der Raubtiere.

Die grüne Basis, partiell der moralische Außenbordmotor der Kriegs-SPD, ist in anderen Teilen noch nicht ganz so handzahm. Weil – und solange – Fischer die Grünen noch braucht, muss er für diese Basis hin und wieder Inhaltismus simulieren. Er muss, obwohl man ihm seinen Widerwillen dagegen bis tief in die Hungerkerben ansieht, noch einmal so tun, als sei er der, der er nie war. Dann wirft er den Schlips beiseite und zieht eine ehrliche Haut an – einen Pulli, in dem er fast so treuherzig aussieht wie Eugen Drewermann.

Fischer, und das war auch früher nicht anders, interessiert sich für nichts als für sich selbst. Diese Eigenanpinselei wäre schon bei einem Genie langweilig – bei dem aus lauter Sekundärtugenden zusammenlaminierten Fischer ist sie vollends fade. Als grundautoritärer Charakter hat Fischer von der Gosse auf gelernt, wie man sich durchsetzt. Er kann die entsprechenden Register ziehen: brüllen, befehlen, drohen. Und den furchtbaren, intelligenzbeleidigenden Muff, den man Zusammenschweißen nennt, hat er auch im Repertoire.

Manchmal aber zieht der Rüdencharme nicht. Wenn Fischer, der seiner Rolle als vorlauter Dauerleitwolf, als Lothar Matthäus der Grünen müde geworden ist, mit der Einschüchterungstour baden geht, muss er umschalten und eine andere Nummer aus dem Patchworkkästchen seiner Seele hervorkramen. Dann sieht und hört man Fischer flehentlich appellieren, händefuchtelnd beschwören und unglaublich oft „Liebe Freundinnen und Freunde“ sagen – zu Funktionären, die er, wie alles andere auch, rein instrumentell betrachtet. Diesen Leuten muss Fischer dann Komplimente machen, bei denen muss er betteln gehen. Winsel winsel fiep – habt mich wieder lieb! Weil das so unangenehm ist für Fischer, der internationales Flair suggerieren möchte, für sein dumpfes Fortkommen aber das Plazet der von ihm sichtlich verachteten grünen Provinzis benötigt, sieht man es gern.

Wenn man an einem Punk oder Penner vorbeigeht, ohne ihm weit mehr als das bisschen Geld zu geben, um das er bittet, schämt man sich hinterher zu Recht. Joseph Fischer aber kriegt nichts. Den lässt man draußen vor der Tür stehen. Und wünscht einen Wintereinbruch herbei.

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