der homosexuelle mann . . . von ELMAR KRAUSHAAR:
. . . ist Teil einer Verschwörung. Die kann ganz klein ausfallen oder sehr viel größer – auf jeden Fall hat die Idee von den klandestinen Tunten, um die Disco-Kugel vereint und zum Schwur bereit, die Weltmacht zu erobern, ihren Reiz. Nicht so sehr für Schwule selbst, die wissen sowieso, dass ihr Tag einst kommen wird, aber umso mehr für verängstigte Heteros.
Denn die kennen genau die heimliche Kraft derer, die sie nicht kennen. Allein schon die zum Gruß ausgestreckte Hand eines schwulen Mannes lässt den Heterokerl zurückweichen, schließlich könnte es ihm an die Eier gehen. Und solche Kracher im Rudel – gar nicht auszudenken, was da alles passieren kann. Ein toleranter heterosexueller Kollege hatte sich einmal mit mir in einer schwulen Bar verabredet und verbrachte vorab – ich schwöre es – zwei Stunden beim Therapeuten, um im Rollenspiel zu klären, wie er sich verhalten muss, spräche ihn einer an auf dem fremden Terrain.
Die wüste Fantasie funktioniert nicht nur im Kleinen. So versuchte unlängst der Historker Lothar Machtan in seinem epochalen Machwerk über den homosexuellen Adolf Hitler („Hitlers Geheimnis. Das Doppelleben eines Diktators“, Fest-Verlag) dessen Weg an die Macht als einen Erfolg schwuler Seilschaften zu beweisen.
Das gleiche Strickmuster bemühte das Hamburger Magazin Max, um den Erfolg von Berlins Regierendem, Klaus Wowereit, zu klären. Von „Berlins Pink Connection“ schwafelt das moderne Blatt und präsentiert mit einem Bilderteppich die „wichtigsten Köpfe des schwul-lesbischen Netzwerks“, 50 Lesben und Schwule, die durch bunte Striche und Schlaufen miteinander verquirlt, sich alle um den zentralen Wowereit-Kopf ranken.
Das Unterfangen ist so dumm wie vergeblich, die genannten Personen eint nichts weiter als die vermeintliche Attraktion durch das gleiche Geschlecht, und zufällig wohnen alle in derselben Stadt. Mehr nicht! Und 95 Prozent der rosa Al-Qaida-Truppe hat – Hand ins Feuer – vor dem historischen 10. Juni 2001, dem Tag des Wowereit’schen Coming-outs, noch nicht einmal den Namen dieses Politikers gehört.
So schnell entlarvt sich der Fake, aber es bleibt die Frage nach der Faszination der schwulen Verschwörung. Mit einem schnalzenden „Ist die CDU an der Macht, frohlockt die Baufirma“, beginnt der Einleitungstext des Max’schen Homo-Tableaus und fährt fort: Regiert Wowereit, „frohlockt die Homosexuellen-Szene“. Mafia oder Schwulen-Szene, hier stimmen die Bilder wieder, der Mythos von der hinterfotzigen Gefahr bleibt erhalten.
Wahrscheinlich war aber alles überhaupt nicht so gemeint, lediglich ein bisschen Spaß und Entertainment, und das Blatt suchte nur einen Vorwand, wieder einmal ein paar homosexuelle Namen und Gesichter zu präsentieren. Warum nicht? Gern doch und jederzeit. Ganz ohne Spökes und Voodoo. Aber Banden und Netzwerke? Dafür haben Schwule kein Händchen, sonst wären sie nicht da, wo sie heute sind. Und müssten sich von keinem Max der Welt so affig vorführen lassen.
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