der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR:
… ist ein Meister des Klatsches, sagt man. Nicht umsonst sind Friseure wie Gerhard Meir oder Udo Walz umschwärmte Lieblinge des Boulevards. Selbst wenn ihre Lippen versiegelt sind wie die Grabkammern des Tutenchamun – das Klischee lebt. Dabei kommt es beim wirklich guten Klatsch – so die lebenserfahrene Maxime von „Blättchen“, dem höchst mitteilsamen Wirt im legendären Kasseler Schwulenlokal „Take Five“ – nicht auf die Wahrheit an, sondern auf Einzelheiten.
Im schwulen Kosmos lässt sich der Klatsch, schreibt Holger Wicht in der Siegessäule, in diverse Grundbausteine aufteilen. Noch vor dem „Abglanz-, dem Demontage- oder dem Renommierklatsch“ gehört der „Annexions- oder auch Einbürgerungsklatsch“ zur beliebtesten Sorte umlaufender Histörchen. Da werden meist prominente und möglichst gut aussehende Männer gerüchteweise eingemeindet, auch wenn sie stockhetero sind und nachweislich eine Ehefrau, zwei Kinder und drei Geliebte haben.
Unangefochten auf Platz eins der schwulen Wunschliste steht derzeit Skispringer Sven Hannawald. Schon Legende dagegen sind die unzähligen Geschichten über Götz George, der so oft gesehen (!) worden sein soll in den diversen Darkrooms (!!). Als der Pin-up-Star wirklich mal auf einer Berliner CSD-Demo auftrauchte, fiel der halbe Umzug fast in Ohnmacht vor Begeisterung. Selbst die Auflösung des Wunders – der Schauspieler war lediglich dabei wegen Dreharbeiten vor exotischer Kulisse – stoppte nicht die Weitergabe der sexuellen Phantastereien.
Jetzt hat der „Einbürgerungsklatsch“ mal einen erwischt, der eigentlich gar nicht ins offizielle schwule Beuteraster passt: Tagesspiegel-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Im August-Heft von männer aktuell wurde dem kleinen Mann eine Affäre nachgesagt mit FDP-Chef Guido Westerwelle. Um dem Gerücht ein bisschen Wahrheit einzuhauchen, hatten die Magazinmacher di Lorenzo um eine Stellungnahme gebeten. Und die kam, per Post und mit Schmackes: „Ihre Interviewanfrage erstaunt mich. Ich wüsste nämlich nicht, was mich mit Ihrem Magazin auch nur im Entferntesten verbinden sollte.“ „… im Entferntesten!!!“ Und außerdem „… lege ich Wert darauf, mein Privatleben abzuschirmen, so dass selbst von Freundinnen kaum Bilder im Umlauf sind.“ Man beachte die Details: Es geht nicht um eine, nein, der Großstadtbeau hat gleich ein paar „Freundinnen“ anhängig, von denen aber nur – kokette Bescheidenheit gehört zum Image – „kaum Bilder“ im Umlauf sind. „Da fehlt es jetzt noch“, so der erfahren Medienmann weiter, „dass ich mich Ihnen zu einem Interview stelle, damit diese unsägliche Form von Journalismus noch Bestätigung findet.“
Warum nur dieser Ton? Anstatt neben den Schwärmereien aller Hauptstadtvolontärinnen auch die schmeichelhafte Homo-Offerte zu genießen, weiß der Mann nicht, wohin mit seinem Zorn. Rührt sich da die plumpe Homophobie des aufgeklärten Metropolenbewohners, oder ist dem König der Lichterketten der blonde Party-Leader Westerwelle einfach nicht hübsch genug?
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