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Superman bei Bonwit Teller

Wer von Warhol spricht, darf von der Mode nicht schweigen. Und so geht die Einführung in die aktuelle Warhol-Retrospektive in der Berliner Nationalgalerie vollkommen in Ordnung. Als Erstes trifft man nämlich auf die lebensgroße Fotografie eines Schaufensters der New Yorker Nobelboutique Bonwit Teller. In dieser Auslage inszenierte der Künstler mangels anderer Möglichkeiten 1961 seine kleine Galerieausstellung mit fünf Bildern: „Advertisement“, „Little King“, „Superman“, „Before and After“ und „Saturday's Popeye“ bilden den Hintergrund zu sommerlich gekleideten Schaufensterpuppen, die mit ihren leichten, praktischen Kleidern, den damaligen Gepflogenheiten entsprechend noch Hüte und Handschuhe tragen. Die Leinwände selbst zeigen Superman, der mit seinem Super-Atem einen Waldbrand löscht; ein Reklame-Sample, eine korrigierte Nase und zuletzt den Kometenschweif, den Popeye mit der geblähten Kraft seines Unterarms hinterlässt, wenn der Matrose wieder einmal jemanden von dem Ort, an dem er gerade noch stand, hinwegbeförderte.

Nach diesem viel versprechenden Intro allerdings befördert einen Heiner Bastian, der Kurator der Schau, mit der geblähten Kraft vergeistigter Kunstpriesterschaft weit weg von dem Ort, an dem Geld und Gesellschaft, Weiblichkeit und Mode sowie schließlich Klatsch und Kunst ihr Stelldichein hatten. Der Ausstellungsbesucher stürzt in Unfalltod und Desaster und in die dunkle, restlos versammelte Reihe der „Most Wanted Men“. Man fällt hart. Ein Glück, dass man noch Sternchen sieht; und man meint, in weiter Ferne Andy Warhol sprechen zu hören: „Man wird nicht glauben, wie viele Leute sich ein Bild mit dem elektrischen Stuhl ins Zimmer hängen – vor allem, wenn die Farbe des Bildes mit den Vorhängen übereinstimmt.“ Da sind wir also wieder, im Schaufenster von Bonwit Teller, beim roten Sommerkleid vor dem roten „Puff!“ von Superman. Wie es eben im Comic so zugeht. Kaum wurde der Gegner wegbefördert, kommt er hinterrücks schon wieder an.

Anders als das Mannequin in seinem roten Fähnchen trägt Superman übrigens eine relativ komplexe Uniform aus einem blauen Ganzkörperanzug, dem berühmten roten Umhang, roten, eng anliegenden Stiefeln und einer roten, ja, was soll man sagen, Unterhose, die aber hier eine Überhose ist und als sexy und markant männlich gelten soll. Möglicherweise stammt das Höschen von Jockey. Denn, das lässt sich in „The Philosophy of Andy Warhol (From A to B and Back Again)“ nachlesen, bietet „Exclusive Tailoring for Proper Fit to Support a Men's Need“. Das kann auch Superman nicht gleichgültig sein. Vor allem, wo er sein Darunter drüber trägt. Dass man keine Unterwäsche trägt, könne er verstehen, schreibt Warhol an gleicher Stelle, aber dass man keine kauft?!

Er wusste demnach lange schon vor George W. Bush, dass Einkaufen außer Lust und Laster vor allem eine patriotische Tat ist. Denn: „Einkaufen ist sehr viel amerikanischer als Denken.“ Auch so herum stößt man also auf die Aktualität von Andy Warhol. Und nicht nur über die „Most Wanted Men“, die ja derzeit – nun von Mafiosi in Islamisten gewandelt – wieder hoch im Kurs stehen. Shopping ist Andy Warhols durch und durch amerikanische Seele. Shopping ist das Prinzip, genauer: die Methode, mit der er seine Bildmotive findet und seine Kunst erfindet. Die Spur, die die Ausstellung in der Nationalgalerie selbst legt, kann sie glücklicherweise nicht zum Verschwinden bringen.

BRIGITTE WERNEBURG

Die Serie wird fortgesetzt. Mehr zur Ausstellung unter: www.warhol-retrospektive-berlin.de

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