daumenkino : „The Village“
Ungeheuer bedrohen die Idylle der Dorfbewohner in „The Village“, dem neuen Film von M. Night Shyamalan. Sie leben in dem Wald, der das Dorf umgibt. Ihretwegen vermeiden es die Bewohner, den Wald zu betreten, und sie meiden auch die Farbe Rot, da sie angeblich die Monster anlockt. Doch als Lucius Hunt (Joaquin Phoenix), unter den Siedlern der Furchtloseste, aufbricht, um in der nächsten Stadt Medikamente aufzutreiben, greifen die Ungeheuer das Dorf an.
Für einen Splatter-Film besitzt M. Night Shyamalan gleichwohl eine zu große Neigung zur Reflexion. Als sein eigener Drehbuchautor hat er sich in die vorteilhafte Position gebracht, Plot und Mise-en Scène direkt koppeln zu können. So wenn er Rot zur „verbotenen Farbe“ stilisiert. Das bietet die Basis für die grün-beige-weiße Grundkolorierung des Dorfes, aus der schon das kleinste Rot als Signal für Gefahr hervorsticht. Außerdem entspricht das inszenatorische Rot-Verbot des Regisseurs dem Tabu, das sich die Dorfbewohner auferlegt haben, die Farbe auch nur beim Namen zu nennen.
Es ist kein Zufall, dass das Geschehen in der ersten Hälfte so viele Wendungen nimmt, bis sich an Stelle von Lucius dessen blinde Geliebte, Ivy Walker (Bryce Dallas Howard), allein im Wald findet. Denn nun kann Shyamalan tief in die Trickkiste von Thriller- und Horror-Formaten greifen. Nichts eignet sich besser, Suspense zu erzeugen, als eine blinde, von Ungeheuern bedrohte Protagonistin. Der Zuschauer sieht mehr als sie. Entsprechend zittert er um ihr Wohlbefinden, je näher die Gefahr rückt. Das Gefühl der Angst, das sich ohnehin wie kein anderes von den Figuren auf der Leinwand auf die Zuschauer davor übertragen lässt, wird dabei noch stimuliert durch entsprechende Musik und Geräusche: ein atemloses Hecheln, raschelnde Blätter und knackende Zweige.
Erstaunlich ist, dass der Plot im entscheidenden Moment Haken schlägt, die eher spannungsentladend wirken. Man kann dem Film das als Unentschiedenheit vorwerfen, tatsächlich stellt es seine Stärke dar. Shyamalan gibt so zu verstehen, dass ihm nie wirklich daran gelegen war, einen Genre-Film zu drehen. Dessen Konventionen und Tricks setzt er ganz bewusst ein, um auf die falsche Fährte zu führen. Die Geschichte, die Shyamalan erzählt, weitet sich so aus zu einer Parabel über ideologische Manipulation und die Effizienz der Angst als Instrument der Macht.
GUIDO KIRSTEN