daumenkino : „Die Bourne Verschwörung“
Als Superagent ohne Erinnerung ist Jason Bourne so etwas wie der letzte Kommentar zum anachronistischen Genre des Agentenfilms. Der fand sein logisches Ende in den späten 80er-Jahren, als auch der Kalte Krieg zu Ende ging. In den 90ern verfilmte Hollywood dann lieber die Romane eines John Grisham als die eines Tom Clancy. Heute boomen einerseits die extremsportbewährten Zeitgeist-Agenten wie Vin Diesel in „XXX“, andererseits die babyspeckigen Absolventen der CIA-Academy („Der Einsatz“, „Mindhunters“). Deswegen hängt die Figur des Jason Bourne seltsam zwischen zwei Epochen. Konzipiert wurde sie vom Vielschreiber Robert Ludlum in der allerletzten Welle von Kalter-Kriegs-Paranoia, und die erste Verfilmung von der „Bourne“-Trilogie, „Die Bourne Identität“ (2002), funktionierte mit ihrer Grauton-Farbpalette wie eine ernsthafte Hommage an die 60er, die neben James Bond immerhin auch so integre Spione wie Alec Leamas („Der Spion, der aus der Kälte kam“) und Harry Palmer („Ipcress – Streng geheim“) hervorgebracht haben.
Das Dilemma des Geheimdienstlers ohne klares Feindbild, das die Versetzung des Kalten Kriegers Bourne in die Gegenwart mit sich bringt, tritt in „Die Bourne Verschwörung“ noch deutlicher als im Vorgängerfilm hervor. Der Todesmaschine Jason Bourne, von Matt Damon wieder mit rührend-unschuldiger Bübchenhaftigkeit verkörpert, sind die Widersprüche seiner Profession mental eingeschrieben. Es mangelt ihm dank seiner Amnesie sowohl an einem professionellen Selbstverständnis wie auch an einem Auftrag durch eine übergeordnete Organisation. Bournes Suche nach einer Vergangenheit, nach seiner Rolle in der Welt, ist für den Agentenfilm anno 2004 ein herrlich selbstreflexives Motiv. Und nicht zufällig muss die Spur nach Berlin, in die „Stadt der Spione“, zurückführen. Die CIA operiert – kein Witz! – direkt vom Alexanderplatz aus. Für Jason Bourne scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
Solche Subtexte spannen in „Die Bourne Verschwörung“ jedoch weitaus spannendere Erzählstränge als der eigentliche Plot. Der ist schnörkellos. Und bevor es richtig losgehen wird, hat sich Franka Potente schon wieder aus dem Film verabschiedet. Ein russischer Geschäftsmann hat einen Killer nach Goa geschickt, damit er den untergetauchten Bourne eliminiert. Es erwischt jedoch Marie, die fortan eine traurige Leerstelle im Film hinterlässt. Zur selben Zeit lässt derselbe russische Geschäftsmann in Berlin eine Dokumentenübergabe der CIA hochgehen und lenkt dabei den Verdacht auf Bourne.
Jason Bourne wird in „Die Bourne Verschwörung“ gleich zur doppelt tragischen Figur. Nach dem Verlust des Gedächtnisses muss er auch noch den Verlust seiner Freundin erleben. Bournes Tragik zieht jedoch keine politischen Konsequenzen nach sich. Die Chance einer kritischen Selbstreflexion umgeht der Film geschickt. Am Ende steckte nur ein anderer Maulwurf hinter der Verschwörung, und der Apparat hat sich erfolgreich selbst gereinigt. Das Tagesgeschäft kann weitergehen, und alles, was die Agenten erwartet, ist eine große Erschöpfung. „Sie sehen müde aus, Landy“, sagt Bourne am Ende zu seiner Mutter-Figur, gespielt von einer aufreizend kaltschnäuzigen Joan Allen. Zumindest bis Jason Bourne zurückkehrt: Der dritte Teil steht noch aus. ANDREAS BUSCHE