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Archiv-Artikel

daumenkino „Machtlos“

„Machtlos“ hätte alles, um den politischen Mainstream Amerikas wachzurütteln. Regisseur Gavin Hood, der für seinen Film „Tsotsi“ einen Oscar erhalten hat, wagt sich in eine rechtsstaatliche Grauzone, indem er die Frage stellt, was das Leben eines Einzelnen gegenüber dem Schutz vieler Leben wert ist. „Rendition“, wie der Film im Original heißt, behandelt die im Kampf gegen den Terror praktizierte „extraordinary rendition“, die Überstellung eines feindlichen Kämpfers in ein rechtsfreies Gefängnis im Ausland – am Beispiel eines aus Ägypten emigrierten Chemieexperten (Omar Metwally), der bei einer Afrikareise in einem Willkürakt verschleppt und gefoltert wird. „Rendition“ tritt an, es mit einem Thema aufzunehmen, dass so komplex wie brisant ist. Der Film steigt in den Ring mit einem moralischen Schwergewicht – aber betreibt am Ende doch nur Schattenboxen.

Hood schneidet die Frage nach Schuld und Verantwortung in kleine, mundgerechte Happen und verteilt sie auf ein ganzes Figurenarsenal. Das bleibt aber wegen des überfüllten Plots zu linear, zu eindimensional, zu sehr verhaftet in Hollywoodschablonen, um die Ambivalenz des Themas zu verkörpern. Jake Gyllenhal spielt den naiven CIA-Agenten („Das ist meine erste Folter, Sir“), der sich am Ende geläutert der amerikanischen Grundrechte besinnt. Meryl Streep gibt die CIA-Antiterror-Chefin als zynische, vollkommen skrupellose Exekutivdirektorin. Auf der afrikanischen Gegenseite entwickelt Hood die Geschichte eines jungen Muslims, der in eine islamistische Terrorgruppe gerät. Aber auch hier geht es mehr um eine gelungene Thrillerdramaturgie als darum, den jungen Attentäter zu verstehen.

Auch die Bilder bleiben so eindimensional wie die Charaktere. Alle Figuren stehen irgendwann mal an einem Fenster oder sitzen in einer Bar und starren ins Leere, untermalt mit suggestiver arabischer Flötenmusik. Statt über Rechtsstaatlichkeit könnten sie genauso gut über den Wocheneinkauf nachdenken. Washington ist in strengen Grautönen gehalten, statische Geometrie dominiert die Bilder. Afrika dagegen flirrt vor Licht und Farben, die Handkamera fährt dicht an den Protagonisten durch die engen Gassen des Drehorts Marrakesch. Das sieht schön aus, ein konsequenter, eigenständiger Blick lässt sich aber nicht finden – ein Dilemma des ganzen Films.

Ganz an seinem Thema geht „Rendition“ dann doch nicht vorbei. Etwa wenn der unschuldige Omar Metwally nackt und gefesselt in einem engen, dreckigen Erdloch gezeigt wird, manifestiert sich die Anklage. Aber gerade diese kurzen eindringlichen Szenen zeigen noch einmal fast schmerzlich, was der Film hätte sein können und was er stattdessen geworden ist. ADRIAN RENNER

„Machtlos“. Regie: Gavin Hood. Mit Jake Gyllenhaal, Meryl Streep u. a., USA/Südafrika 2007, 120 Min.