das wird: „Das Wichtigste ist Selbstschutz“
Schnell und klug auf Sexismus reagieren?In Bremerhaven lässt sich das lernen
Interview Alina Götz
taz: Frau Rosenwirth, wann haben Sie zuletzt einen sexistischen Spruch gehört?
Melanie Rosenwirth: Ständig! Das sind so viele, wo soll ich da anfangen. Das beginnt ja mit Kleinigkeiten, die viele gar nicht als sexistisch wahrnehmen. Zum Beispiel ein „Sie sehen ja heute hübsch aus“ im Arbeitskontext. Bis hin zu klareren Aussagen zum Thema Gendern: „das blöde Gendersternchen“, „Verschandeln der deutschen Sprache“.
taz: Wie reagieren Sie auf das vermeintliche Kompliment, „Sie sehen hübsch aus“?
Rosenwirth: Es kommt total auf die Situation und die Akteure an. Ich kann einfach darüber hinweghören oder fragen: „Was wollen Sie mir damit jetzt sagen? Was hat das mit dem Sachverhalt zu tun?“ Die Gegenreaktion ist mindestens Irritation. Oft kommt ein „Ich wollte ja nur nett sein.“ Die wenigsten sagen:„Da hast du recht, das hat in dem Kontext nichts verloren.“
taz: Und wie antworten Sie auf die Kommentare zum Gendern?
Rosenwirth: Ich sage, dass Sprache sich nun mal verändert. Das mache ich übrigens auch im Freundeskreis. Viele möchten mit mir nicht mehr über Politik diskutieren, weil sie wissen, dass ich bestimmte Dinge nicht so stehen lasse.
taz: Wie ist das für Sie?
Rosenwirth: Schlimmer finde ich es, wenn Leute mit den Augen rollen oder sagen, dass ich jetzt schon wieder anfange mit meinen Sprüchen. Aber warum sollte ich denn meine Klappe halten, wenn die anderen das auch nicht tun? Ich will deren Sprüche ja genauso wenig hören.
Melanie Rosenwirth
52, ist Jugendbildungsreferentin bei Arbeit und Leben Bremerhaven.
taz: Da finden Sie die andere Variante respektvoller.
Rosenwirth: Genau. Ich mache das auch manchmal. Wenn jemand anfängt, über Politik zu reden, sage ich: „Wir sind hier, um ein Bierchen zu trinken. Lassen wir das doch mal so stehen.“ Das ist eine völlig legitime Art zu reagieren: einfach „Stopp!“ sagen mit dem Wissen, wir kommen eh nicht auf einen Nenner.
taz: Welche Möglichkeiten gibt es noch?
Rosenwirth: Zu sagen: „Hör zu, ich bin anderer Meinung, und ich möchte solche Sprüche nicht hören.“ Immer auch abhängig von der Situation: Kommen die mir mit einem dummen Spruch oder mit sogenannten Fakten? Hinterfragen kann helfen. Oder auch Empathie zeigen: „Das tut mir leid, dass du das so erlebt hast. Aber bist du sicher, dass das immer so sein muss?“
taz: Wie vermitteln Sie das?
Rosenwirth: In einer Methode üben wir, schnell zu reagieren. Dabei werfen sich die Teilnehmenden gegenseitig dumme Sprüche hin und das Gegenüber muss schnell antworten. In Rollenspielen wird anschließend intensiver geübt. Wir arbeiten auch mit Erfahrungen der Leute und schauen, was sie hätten anders machen können. Es gibt nicht die ideale Reaktion. Das wichtigste ist Selbstschutz, also sich durch eine Reaktion nicht in Gefahr zu bringen.
Workshop Stammtisch-kämpfer*innen, Anmeldung bei Arbeit und Leben Bremerhaven, 19. 10., 10–16 Uhr, Haus der Jugend Bremerhaven. Auftakt zur Feministischen Woche, 23.–30. 10.
taz: Dürfen wir denn auch einfach mal weghören?
Rosenwirth: Natürlich kann das eine Lösung sein. Man muss nicht immer streiten, sondern auch mal sagen können: Ich kann nicht mehr.
taz: Haben Sie Tipps für Leute, die Samstag nicht teilnehmen?
Rosenwirth: Es gibt jede Menge Seiten und Infos, wo man Handlungsoptionen und Gegenargumentationen ansehen kann. Im Zweifelsfall kann man immer sagen: „Stopp, ich möchte das nicht hören.“ Auch das kann beim Gegenüber was auslösen.
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