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das wird„Ich habe mich für mich entschieden“

In „Der Große Reset“ erzählt Ika Sperling, wie Verschwörungsdenken eine Familie zerstört. Jetzt stellt sie den Comic in Hamburg vor

Interview Jan-Paul Koopmann

taz: Frau Sperling, kennt Ihr Vater Ihr Buch?

Ika Sperling: Das werde ich im Moment natürlich oft gefragt. Die Antwort ist, dass mein Vater vergangenes Jahr gestorben ist, bevor ich ihm das Buch zeigen konnte. Er wusste gar nicht, dass ich diesen Comic gemacht habe.

In „Der Große Reset“ beschreiben Sie, wie Sie Ihren Vater an Verschwörungs­theorien verlieren. Wissen Sie noch, wann das losging?

Es ist jetzt nicht so, dass ich als Kind am Küchentisch mit „9/11 was an Inside Job“ vollgetextet worden wäre. Ich glaube schon, dass er 2014 sehr auf diese AfD-Erzählungen über die „Flüchtlingswelle“ und so weiter reingefallen ist. Aber das Verschwörungsdenken ging erst mit Corona so richtig los.

Wie autobiografisch ist die Geschichte?

Ich habe am Anfang ein Story­board auf kleinen Post-it-Zettelchen gemacht und alles genau so aufgeschrieben, wie es passiert ist. Ich hatte ungefähr einen Monat gesammelt und dann festgestellt: Das ist super viel, so kriege ich die Geschichte nicht erzählt. Deswegen ist die Handlung jetzt zum Beispiel auf drei Tage begrenzt. Und die Figuren: Die Protagonistin heißt wie ich und sieht aus wie ich, weil ich das so entscheiden konnte. Weil meine Familie diese Möglichkeit aber nicht hatte, habe ich die Charaktere verändert: ihr Aussehen, das Alter, die Namen …

Ika Sperling

*1996, hat an der Hoch­schule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg Illustration studiert. Ihr Comicdebüt “Der Große Reset” ist soeben bei Reprodukt erschienen (176 S., 24 Euro).

Stehen deshalb nun auch Ihre eigenen Gefühle im Mittelpunkt?

Ich habe mich sehr früh gefragt: Will ich jetzt eine Geschichte über meinen Vater erzählen oder will ich eine Geschichte über mich erzählen? Und ich habe mich dann für mich entschieden. Die einzige Perspektive, auf die ich mich verlassen kann, ist meine eigene.

Auch die Inhalte der Verschwörungstheorien reißen Sie nur an.

Mir war nie wichtig, um welche Verschwörungserzählungen genau es geht. Ich will ihnen auch keinen Raum und keine Bühne geben. Am Anfang gab es noch eine Szene, in der die Inhalte nacherzählt werden, aber ich habe sie verworfen. Es ist ein Comic darüber, wie es ist, Angehörige an eine Verschwörungsideologie zu verlieren – aber kein Buch über die Verschwörungsideologien. Da gibt es andere Fachbücher und Ratgeber.

In einer sehr rührenden Szene werden Sie in immer kleineren Panels zugetextet, um nach dem Umblättern plötzlich über eine ganze Doppelseite zu brüllen, dass Sie das alles nicht mehr hören können. Scheitern von Kommunikation – oder Befreiungsschlag?

Comiclesung und Diskussion: Do, 16. 5., 19 Uhr, Hamburg, Metropolis-Kino

Es hat jedenfalls sehr viel Spaß gemacht, diese Seite zu zeichnen, weil es genau das war, was ich so oft gedacht habe. Weil jedes Gespräch mit meinem Vater auf diese Dinge hinauslief und weil das so unvorstellbar viel Raum im Alltag eingenommen hat.

Das Debüt hat den Hamburger Literaturpreis bekommen und ist für den Max-und-Moritz-Preis nominiert. Macht Ihnen das Angst vor dem zweiten Buch?

Manchmal frage ich mich schon, ob ich jetzt in alle Ewigkeit „die mit dem Verschwörungsbuch“ bleibe. Ich dachte mal, dass ich nach zwei Wochen Pause direkt mit dem nächsten weitermache. Stattdessen bin ich seit Monaten damit beschäftigt, „Der Große Reset“ nachzubereiten: Interviews geben, Lesungen vorbereiten, organisatorische Dinge.

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