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das wetterSchwarze Dame

Auguste Budjona brühte Zichorienkaffee auf und schickte sich an, ihre Familienfotos nach dem Klang zu ordnen. Sie öffnete das Album und presste ihr Ohr an das dünne Pergaminpapier, das die ausgeblichenen Lichtbilder vor Staub und Kratzern schützte, und lauschte dem silbrigen Klingeln in den Augen ihrer Mutter, dem Tosen des langbärtigen Onkel Justus und den Schalmeien im Lachen ihres Vaters. Seite für Seite arbeitete sich Auguste in den Klang­bildern voran, dirigierte die gravitätischen Holzbläser ihrer Großmama, notierte das Kollern eines längst verblichenen Oheims im Gehrock als „drammatico con dolore“, bis sie das kaum vernehmbare Zirpen ihrer Ahnherrin vernahm. Auf der allerletzten Seite wehte Auguste aus dem verwaschenen Porträt einer schwarzen Dame eine eigentümlich vertraute Melodie an. Es war ihre eigene.

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