das wetter: Die Pflanze
Sie hatte genug vom Leben. Die Pflanze stand am Abgrund und war bereit für den Sprung ins Nichts. Doch plötzlich tat sie etwas, was sie schon lange nicht mehr getan hatte: Sie lachte. Denn der Abgrund, der sich vor ihr auftat, war ein solch peinliches Sinnbild für ihr Leben, dass es der Pflanze zu blöd war, es an ebendieser Stelle zu beenden. Sie trat einen Schritt zurück und atmete tief durch. Das war sowieso die falsche Wahl: Besser wäre Gift oder eine Pistole, dachte die Pflanze und lachte wieder bei der Vorstellung, dass sie mit ihren dünnen Restästchen einen Abzug betätigte. Gift aber hatte sie ihr Leben lang genug eingeatmet, dagegen war sie längst resistent. Im Gegensatz zu diesen verweichlichten Jammergestalten, die stets vergaßen, sie zu gießen. Mit neu erwachtem Lebensmut ging die Pflanze in den Arbeitstag.
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