das wetter: küster voll hass:
Es war einer dieser regnerischen Tage, die der Küster so hasste. Und er hasste gern und oft, seit seine Mutter ihn in Windeln vor der Pfarrei abgelegt hatte. „Mutter, Malmö“, schoss es ihm durch den Kopf. Das Wasser fiel jetzt vom Himmel wie nasse Lappen. Er watete durch den Schlamm hinterm Glockenturm. „Schon das zweite Mal heute“, fluchte er und wischte sich die dunklen Tropfen von der Hornbrille. Dann schloss er die schwere Eichentür auf. Ein modriger Geruch schlug ihm entgegen. Würgend betrat er die Glockenkammer. „Das allerletzte Mal“, schwor er sich und wusste doch, dass er log. „Mutter“, dachte er wieder. Sie hatte ihm zum fünften Geburtstag eine Postkarte geschickt. Von einer Fähre. Nach Malmö. Aus der Bar. Wo sie arbeitete. „Sei immer lieb und höre auf den Herrn Pfarrer.“ Pah. Voller Hass griff der Küster ins Glockenseil. Mutter, Pfarrer, Mutter, Pfarrer – gongte es bitter vom Kirchturm. Um sechs musste er wieder ans Seil. Das letzte Mal.
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