das portrait: Die Künstlerin Sophia Bizer bietet Pflanzen Asyl in einer Kirche
Im Nachhinein hätte sie den Begriff „Kirchenasyl“ vielleicht nicht für ihr Projekt verwendet, überlegt Sophia Bizer, die in diesem Jahr als Kunst-Stipendiatin der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) in einer Bremerhavener Kirche arbeitet. „Gekommen, um zu bleiben“ steht auf einer Buchstaben-Girlande in der Großen Kirche in der Innenstadt, auf einer anderen „Place as an invitation to stay“ – so wie diese Schriftzüge lautet auch der Projekttitel.
Eine Einladung zum Bleiben bekamen Zimmerpflanzen, die Bremerhavener:innen in den Sommerferien in der Kirche zur Pflege abgeben konnten. Auf diese Weise, erzählt Sophia Bizer, habe sie gehofft, mit Besucher:innen ins Gespräch zu kommen. „Wenn Pflanzen willkommen sind, dann sind es vielleicht auch Menschen?“ Deshalb heißt es in einer Pressemitteilung der BEK, die Künstlerin verweise damit „auf das Konzept des Kirchenasyls“. Das griff die Deutsche Presseagentur in einem Bericht über die Aktion auf. „Kirchenasyl für Zimmerpflanzen“ war dieser überschrieben und Medien in ganz Deutschland übernahmen dies.
Dabei wollte Bizer keineswegs gießbedürftige Pflanzen und geflüchtete Menschen gleichsetzen, wie sie am Telefon sagt. „Ich lerne daraus, vorsichtiger mit Schlagworten umzugehen, weil Medien darauf anspringen und der Rest dahinter verschwinden kann.“ Denn ihr gehe es weniger um die Pflanzen als um den Kirchen-Raum und wie dieser genutzt werden kann, wenn keine Gottesdienste stattfinden.
Die Große Kirche in Bremerhaven, die eigentlich Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche heißt, biete sich dafür an: Die Gemeinde arbeite an einem neuen Raumnutzungskonzept. „Zum Beispiel steht der Innenraum voller Stühle, die sehr schön sind, aber man kann sie nicht stapeln.“ Es gebe die Idee, mit stapelbaren Stühlen zu arbeiten, sodass Platz wäre für einen großen Tisch.
„Ich glaube, viele Jüngere wissen gar nicht, was für schöne und vor allem große Kirchen- und Gemeinderäume es gibt“, sagt Bizer. So hätten sich Freund:innen zunächst über ihre Bewerbung als Kirchen-Stipendiatin gewundert. Für sie sei das kein großer Schritt gewesen, sagt die 32-Jährige, sie kenne viele Kirchen von innen. „Ich bin zwar nicht gläubig, aber konfirmiert und mein Großvater war sogar Pastor.“
Derzeit hält sie sich allerdings in Hannover auf, weil sie auf dem Festival „Kleines Fest im Großen Garten“ in den Herrenhäuser Gärten auftritt. Dort ist der Raum, den sie bespielt, sehr klein: ein Aquarium.
Um die Pflanzen in der Großen Kirche kümmern sich solange Gemeindemitglieder. 36 seien abgegeben worden, erzählt Bizer. Die erhofften Gespräche mit Kirchenbesucher:innen über das Kommen und Bleiben hätten sich leider nicht ergeben. „Sehr viele sind Tourist:innen von Kreuzfahrtschiffen, die sich die Sehenswürdigkeiten in der Stadt angucken.“ Dabei habe sie erfahren, dass es in der Schweiz üblich sei, Zimmerpflanzen, die für das eigene zu Hause zu groß werden, an eine Kirche abzugeben.
Die in Bremerhaven könne sich im Sommer sehr aufheizen, warnt die Bremische Evangelische Kirche. Was mit Pflanzen geschehe, die am Ende der Ferien nicht abgeholt werden, sei noch offen, sagt Bizer. Eine Frau habe schon angekündigt, dass sie ihre gern loswerden würde. Eiken Bruhn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen