das portrait: Gwendolin von der Osten wird in Hannover Chefin von 4.000 Polizist:innen
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hat bei der Besetzung der Ämter der Polizeipräsident:innen im Bundesland zum großen Wurf ausgeholt. Sie sollen künftig weniger verdienen und Beamte auf Lebenszeit sein. Die Möglichkeit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand soll gestrichen werden. Zugleich besetzte Behrens die polizeilichen Leitungsfunktionen neu – zunächst kommissarisch. Chefin der größten Polizeidirektion (PD) des Landes in Hannover und damit von rund 4.000 Polizist:innen wird Gwendolin von der Osten. Die 51-Jährige tritt die Nachfolge von Volker Kluwe an, der Ende März in den Ruhestand geht.
Von der Osten ist seit Februar 2021 Polizeipräsidentin in Göttingen. Davor leitete sie nach mehreren Stationen im Polizeidienst lange Jahre die Polizeiinspektion Hannover-Mitte und war Referatsleiterin Einsatz und Verkehr im niedersächsischen Innenministerium.
Die studierte Juristin gilt als liberal. So hat sie sich mehrfach differenziert zum polizeilichen Umgang mit Randgruppen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Drogenabhängigen geäußert. Und eingeräumt, dass der tägliche Umgang mit diesen Gruppen das Menschenbild der Polizei durchaus prägen und dies dazu führen könne, dass die Beamten schneller Vorurteile bilden.
Zudem gebe es sicherlich eine ungewollte Diskriminierung durch bestimmte Routinen. „Die Formalisierung einer Amtshandlung kann stigmatisierend wirken – und den Polizistinnen und Polizisten ist das nicht bewusst“, sagte sie einmal. Eine Polizei, die gegenüber der Öffentlichkeit zeige, dass sie sich mit für sie schwierigen Themen auseinandersetzt, könne davon aber durchaus profitieren.
Als schwierig bewertet von der Osten das Abwägen zwischen Härte und Zurückhaltung bei Einsätzen, denn es gelte vieles zu beachten – auch andere Kulturen oder Provokationen von politisch Extremen. Große Bedeutung misst sie der Kommunikation bei – intern und mit den Akteuren von Stadt, Feuerwehren, Medien und anderen. Das Reden könne viel zur Deeskalation beitragen. Manchmal brauche es aber auch das Durchgreifen, wie bei Straftaten gegen Menschen, so auch der Gewalt gegen Polizisten, „die leider häufiger wird“.
Dass sie als erste Frau an der Spitze der PD Hannover steht, sieht von der Osten quasi als logische Konsequenz der gesellschaftlichen Entwicklung auch bei der Polizei. „Chancengleichheit und Diversität waren mir schon immer ein wichtiges Anliegen“, betont sie. Die Polizei sei „nicht mehr so weiß und männlich, wie sie das vielleicht noch vor 40 Jahren war“.
Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) stößt die Personalie auf Zustimmung: Mit von der Osten bekomme die Polizeidirektion Hannover eine modern denkende Präsidentin, die in ihrer bisherigen Funktion sowohl mit Personalräten als auch mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) vertrauensvoll zusammengearbeitet habe, urteilt der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende Sebastian Timke.
Nach Göttingen ist von der Osten von Hannover aus täglich gependelt. Jetzt freut sie sich auf die neue Herausforderung „in meiner Heimatstadt, näher bei meiner Familie“. Von der Osten ist verheiratet und hat drei Kinder.Reimar Paul
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