piwik no script img

das portraitPeter Marxenwar der Lehrmeister der Dorfpunks

Mit einem munteren Blinzeln aus den Augen ließ Peter Marxen oft die Nadel auf das Vinyl gleiten, wenn am Sonntagabend zu fortgeschrittener Stunde im ostholsteinischen „Forsthaus Hessenstein“ mal wieder Klubabend war. Lester Bowie, das Art Ensemble of Chicago und andere Perlen aus seiner Plattensammlung kredenzte der Wirt dann den oft eher kleinen Runden halbstarker Gäste – neben der einen oder anderen Spirituose. „Sonntag zum Hessenstein“ war unter Lütjenburgs Dorfpunks damals in den 1980er-Jahren ein geflügeltes Wort und der rituelle Abschluss der Woche.

Peter Marxen war Lehrmeister, Gönner und Ratgeber in Personalunion am Tresen des Edelrestaurants am Fuße des alten Wachturms. Manchmal stiefelte er kurz nach oben in die Wohnung, um eine Schallplatte aus den prall gefüllten Regalen zu ziehen, um sie der wissbegierigen und trinkfreudigen Meute unten am Tresen vorzuwerfen. Dazu gab der Mann mit dem Rauschebart hin und wieder Anekdoten preis.

Anekdoten und Platten hatte Peter Marxen reichlich in petto. Aus seiner Zeit im „Onkel Pö“, dem legendären Hamburger Jazzklub, seinen Jahren auf See oder der Etappe als Grafiker, die der Rückkehr nach Schleswig-Holstein Ende der 1970er vorausgegangen waren. Marxen, am 10. Juni im Alter von 80 Jahre verstorben, ist an der Ostsee, genauer am Weißenhäuser Strand, auf die Welt gekommen. Er konnte gut erzählen, erklären, vermitteln – wenn er denn wollte, was auch nicht immer und vor allem nicht jedem und jeder gegenüber der Fall war. Der Mann am Tresen hatte Prinzipien. So ließ er einst im Onkel Pö den Nazi-Bildhauer Arno Breker nicht rein, der als NDR-Talk-Gast vorgesehen war. So musste die Talkrunde ins NDR-Studio umziehen.

Sich gerade zu machen war für den knorrigen Jazz-Liebhaber genauso selbstverständlich wie der faire Umgang mit Musikern – ob bei den Konzerten im Onkel Pö oder hin und wieder auch vor dem Forsthaus Hessenstein. Da traf sich dann eine bunte Mischung von Menschen, die ansonsten kaum etwas miteinander zu tun hatten, und Marxen flanierte zwischen den Gästen aus den unterschiedlichen Welten umher.

So könnte es auch am 4. Juli werden, wenn im Ruheforst in Panker der Lehrmeister der Dorfpunks verabschiedet wird – sicherlich in großer Runde. Knut Henkel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen