piwik no script img

das portraitHans-Günter Wernermahnwacht

Das Atomkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein war früher schwer umkämpft. In den 1970er- und 1980er-Jahren lieferten sich Demonstranten und Polizei am Bauzaun heftige Auseinandersetzungen. Seitdem das AKW 1986 in Betrieb ging, ist es ruhiger um Brokdorf geworden. Ganz ruhig allerdings nicht. Einer derjenigen, die dafür sorgen, ist Hans-Günter Werner. Der 72-Jährige Ruhestandspastor aus Wedel organisiert mit einigen Mitstreitern an jedem 6. im Monat eine Mahnwache vor dem Haupttor des Kraftwerks. Am Mittwoch fand die Aktion zum 400. Mal statt.

Mal kommen nur eine Handvoll, mal ein paar Dutzend Teilnehmer. Bei der ersten Mahnwache am 6. August 1986, wenige Monate nach Beginn der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, waren es noch mehrere Tausend. Den 6. August als Beginn der Mahnwache wählten Werner und seine Freunde, weil dies der Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima war. Sie wollten so auf einen „unlösbaren Zusammenhang von Atomstromproduktion und militärischer Nutzung“ hinweisen.

Viele Menschen hätten früher den Protest unterstützt, sagt Werner, auch die heutige Bischöfin Kirsten Fehrs sei dabei gewesen. „Wir haben damals unterschrieben, so lange weiterzumachen, bis das Kraftwerk abgeschaltet ist.“ Er sei der einzige, der sich daran gehalten habe.

Der Ablauf ist immer ähnlich. Zuerst werden Lieder gesungen. Bei der anschließenden Vorstellungsrunde darf jeder sagen, was ihn gerade beschäftigt. Er wolle keine Feindschaften aufbauen, sagt Werner: „Wir haben deutlich gemacht, dass wir nicht gegen die Leute hier kämpfen, sondern für das Leben.“

Der Kampf für das Leben beinhaltete stets auch weiteres politisches Engagement. Als Pastor war er für die Arbeitswelt zuständig. Mit ungewöhnlichen Aktionen machte Werner immer wieder auf soziale Probleme aufmerksam. Als die Firma Baas in Wedel schloss und Hunderte auf der Straße standen, beging er mit den ehemaligen Mitarbeitern und deren Familien in einer öffentlichen Zeremonie eine symbolische Beerdigung. Reimar Paul

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen