das portrait: Mit 41 noch mal in den Super Bowl: Patriot-Quarterback Tom Brady
Oh no, nicht schon wieder die Patriots! Dauernd dieser Brady! Man kann ihn nicht mehr sehen!
Tatsächlich sind die Reaktionen darauf, dass Tom Brady und seine New England Patriots schon wieder den Super Bowl erreicht haben, in den USA selbst zwiespältig. Ein Teil des Landes, vor allem in und um Boston herum, diskutiert eifrig, ob Brady nun endlich wirklich der G.O.A.T. ist, der „Greatest of all time“, wenn es darum geht, einen Football durch die Gegend zu werfen. Der Rest des Landes allerdings hat die Schnauze voll. Will mal jemand anderen gewinnen sehen in der heimlichen Nationalsportart. Ist mittlerweile extrem Brady-müde.
Ist es doch so: Tom Edward Patrick Brady, geboren 1977 in Kalifornien als Sohn eines Versicherungsmaklers und einer Stewardess, scheint alles in den Schoß zu fallen – nicht nur auf dem Footballfeld. Fünf Super-Bowl-Titel hat er gewonnen, so viele wie kein anderer Quarterback; den ersten vor 17 Jahren. Niemand hat so viele Spiele gewonnen, so viele Play-off-Begegnungen, so viele Divisions-Titel. Dazu unzählige Ehrungen, Trophäen, Rekorde, versüßt mit 217 Millionen Dollar Gehalt über die Jahre. Außerdem sieht er super aus, vermarktet sein Sunnyboy-Image in lukrativen Werbeverträgen, soll angeblich gut befreundet sein mit dem US-Präsidenten, und führt dazu ein fürchterlich hervorragendes Kleinfamilienleben mit seiner Supermodel-Ehefrau Gisele Bündchen. Und jetzt, im für einen Spitzensportler greisenhaften Alter von 41 Jahren, steht er wieder im Endspiel, dem immer noch größten Einzelsportereignis dieses Planeten.
In den kommenden zwei Wochen, bevor in Atlanta der Anpfiff gegen die Los Angeles Rams ertönt, wird die in dieser Zeit eh auf Hochtouren laufende Hype-Maschinerie der National Football League (NFL) noch mal zwei, drei Gänge höher schalten. Die Diskussionen, ob Brady tatsächlich so gut ist, wie es seine Erfolge nahelegen, oder ob er nur vom Glück und Schiedsrichtern begünstigt wurde, werden hysterische Ausmaße annehmen. Seine Fans werden Statistiken auffahren, seine Kritiker die Skandale aus dem Archiv kramen – vor allem das „Deflategate“, ein Betrugsfall, in dem es – ja, tatsächlich so lächerlich profan – um zu lasch aufgeblasene Footbälle ging. Bradys konkrete Verwicklung in den Fall konnte nie endgültig geklärt werden, aber für die Neider ist Deflategate das wichtigste Argument, dass die Dominanz von Brady und seinen Patriots vor allem auf Beschiss beruht.
Die Patriots sind nicht nur der FC Bayern München der USA. Die Patriots der vergangenen zwei Jahrzehnte und ihre einmalige Erfolgskultur, die Brady im Verbund mit seinem Ersatzvater, dem berüchtigt grimmigen und als genialisch verehrten Patriots-Chefcoach Bill Belichick, aufgebaut hat, ist vielen das „Dark Empire“ des Multi-Milliarden-Unterhaltungsbetriebs NFL. Die hoffen darauf, dass diese dunkle Macht wenigstens in zwei Wochen aufgehalten wird. Und Brady endlich abtritt. Der aber hat angekündigt, noch mit 45 Jahren spielen zu wollen. Mindestens. Thomas Winkler
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