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das portraitCiudadanos wollen den Franzosen Manuel Valls als Bürgermeister

Foto: G. Fuentes/reuters

Der ehemalige französische Premier Manuel Valls macht sich Sorgen um Europa. Der Grund ist die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien, wo er vor 55 Jahren geboren wurde. „Das katalanische Problem ist keine interne Angelegenheit Spaniens, sondern ganz Europas“, warnt der einst rechte Sozialdemokrat und jetzt Parteilose immer wieder und überlegt nun, über die Grenze in den Wahlkampf gegen die Befürworter der Unabhängigkeit zu ziehen. Denn Valls hat ein lukratives Angebot auf dem Tisch: Die stärkste spanientreue Partei Kataloniens, die rechtsliberalen Ciudadanos (auf Deutsch: Bürger), hat ihm den Spitzenplatz auf der Liste bei den Kommunalwahlen im Mai 2019 angeboten – und damit die Kandidatur zum Bürgermeister seiner Geburtsstadt Barcelona.

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich der Absolvent der Pariser Sorbonne-Universität in die katalanische Politik einmischt. Nach dem Unabhängigkeitsreferendum im Oktober trat der Sohn eines Katalanen und einer Italo-Schweizerin auf Demonstrationen für die Einheit Spaniens auf, nahm an Meetings der Ciudadanos teil und verteidigte die Absetzung der Regierung des flüchtigen Carles Puigdemont sowie die Zwangsverwaltung Kataloniens aus Madrid.

In Frankreich war Valls Bürgermeister in zwei Orten im Großraum Paris, Vizepräsident des Regionalparlaments des Pariser Umlandes, Abgeordneter in der Nationalversammlung, Innenminister und Premier. All das verlor der Vater von vier Kindern förmlich über Nacht. Als er 2017 Präsidentschaftskandidat der Sozialisten werden wollte, unterlag er dem linken Parteiflügel, den er zuvor als Premier aus der Regierung gedrängt hatte. Am liebsten wäre Valls daraufhin zur neuen Bewegung Emmanuel Macrons übergelaufen. Doch dieser wollte keine Altlasten und lehnte ab. Valls ist nun parteiloser Abgeordneter, angegliedert an Macrons Fraktion La République en Marche.

Eine Kandidatur in Barcelona wird nicht leicht. Valls kennt die Stadt nur von sporadischen Familienbesuchen. Ihm eilt kein guter Ruf voraus: Als Premier war er von 2014 bis 2016 Anhänger der in Spanien alles andere als beliebten, von Deutschland diktierten europäischen Sparpolitik. Zuvor hatte er als Innenminister mit seiner harten Gangart gegen Immigranten von sich Reden gemacht. Mit seiner Verteidigung der spanischen Einheit schert Valls aus der katalanistischen Familientradition aus. Sein Großvater hatte unter der Franco-Diktatur heimlich Sprachunterricht gegeben, sein Onkel die Hymne des FC Barcelona komponiert und sein Vater war ein Maler, auf den separatistische Katalanen stolz sind. „Wir müssen die Antwort des demokratischen spanischen Staates unterstützen“, erklärte Valls per Twitter, als Madrid Katalonien unter Zwangsverwaltung stellte. Unter denen, die ihm empört antworteten, war auch seine Schwester. „Bei Gott. Schluss“, schrieb sie und fügte hinzu: „Bei Großvater Magí. Das ist nicht demokratisch […]. Wann hat man so was Brutales gesehen, wie alle Freiheiten abzuschaffen?“

Reiner Wandler, Madrid

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