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das portraitKerstin Hagemann kämpft für die Rechte von Patienten

Mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet: Kerstin Hagemann Foto: privat

Kerstin Hagemann ist eine Pionierin. Seit sie 1984 den wohl größten Kunstfehlerskandal Deutschlands ans Licht brachte, setzt sie sich für die Rechte von Patienten ein. Für ihren jahrzehntelangen Kampf verlieh Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der 59-Jährigen nun das Bundesverdienstkreuz.

Auslöser für ihr Engagement waren die Behandlungsmethoden des Orthopädie-Professors Rupprecht Bernbeck. Der hatte im städtischen Allgemeinen Krankenhaus Barmbek in Hamburg mit dubiosen Methoden viele Patienten zu Krüppeln operiert – die damals 20-jährige Hagemann war seine Patientin. Er baute 1978 die Pfanne ihres Hüftgelenk falsch herum ein, Hagemann ist trotz Nachbehandlungen auf den Rollstuhl angewiesen. Einer von vielen Fehlern des als Kapazität geltenden Arztes, der lange operieren durfte, unbehelligt von der Fachwelt und den Hamburger Behörden.

1984, nach dem Hagemann 250 weitere Opfer von Bernbeck kennengelernt hatte, gründete sie die Initiative der Bernbeck-Geschädigten, aus der später die Patienten-Initiative hervorging. Die Mitglieder ließen Gutachten erstellen, suchten Rechtsbeistände und gingen an die Öffentlichkeit. Obwohl Bernbeck wegen der Verjährungsfristen mit einer Geldstrafe davonkam, wurde 1987 die Stadt Hamburg als Arbeitgeberin verurteilt und zahlte 35 Millionen Mark Entschädigung an die Opfer. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft forderte die Einrichtung einer unabhängigen Beratungsstelle für Patienten, damit sich solche Vorgänge nicht wiederholen, dessen Part zunächst Hagemanns Patienten-Initiative übernahm.

Ehrenamtlich und ohne öffentliche Förderung berät die Patienten-Initiative Menschen, die ärztliche Fehler vermuten und sich keinen Anwalt leisten können. „Das ist aufwendig, denn Patienten in Not brauchen fachkundige Begleitung, oft über Jahre“, sagt Hagemann. Zuletzt erstellte die Patienten-Initiative einen Stadtplan für Hamburg, in dem barrierefreie Arztpraxen aufgelistet sind. „Was die Durchsetzung von Patientenrechten angeht, hat sich in den letzten 40 Jahren wenig verbessert“, sagt Hagemann. „Wir haben aber erreicht, dass Patientenrechte im Gesetz stehen.“

Kai von Appen

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