piwik no script img

das herumreiten auf dem schmutz und das letztliche obsiegen desselben von EUGEN EGNER

Der Pfarrer trug leere Milcheimer bis zum „Zusammenbrechen der Entkräftung“, wie er sich ausdrückte. Bei dieser Tätigkeit wollte ihn der Lehrer fotografieren, aber die Abbildungen, die er ihm später zeigen sollte, hießen „Das Rührwerk“ und „Der Quadrant“. Vor Lehrer und Pfarrer muss an dieser Stelle gleichermaßen gewarnt werden, da sie instabile Charaktere waren. Ganz anders dagegen die Protagonisten Berti und Gerd. Sie wollten eine Kneipe „aufmachen“, die „Das Herumreiten auf dem Schmutz und das letztliche Obsiegen desselben“ heißen sollte, weil es ihnen so eingefallen war. „Das Kaufmännische ist die richtige Idee in unserer Zeit“, sagte Gerd, und Berti sagte: „Es wird die kummervolle Errettung aus der Hergebrachtheit sein.“

Selbstverständlich brauchten sie Geld für „Das Herumreiten auf dem Schmutz und das letztliche Obsiegen desselben“. Berti und Gerd trafen den Pfarrer an der Hafenecke. „Nehmt es bitte nicht persönlich“, sagt der Pfarrer zu Berti und Gerd, „aber ihr seht aus wie Leute.“ Schon hatte er Hausverbot in der Kneipe, noch bevor dieselbe überhaupt finanzierbar war. Und so ging es weiter: Der Rauch bewegte kleine Bäume, der Pfarrer warf Ziegel ab. Es war schon gleich sechs! Das Gewitter hielt sich nicht an die Regeln.

Berti und Gerd aber brauchten noch immer Geld für „Das Herumreiten auf dem Schmutz und das letztliche Obsiegen desselben“. Wieder und wieder dachten sie an die Sparkasse, und diese Gedanken ließen schließlich die Sparkasse entstehen. Die Angestellten der Sparkasse sagten: „Wenn ein Mädel in unserer Gruppe ist, wird es niemals langweilig werden. Und wir haben das Geld.“

Davon hörten, möglicherweise durch Pfarrer oder Lehrer, auch Berti und Gerd. Gerd, der wusste, wie die Angestellten über Mädchen dachten, schickte Berti aus: „Geh und beeindrucke die Sparkasse!‘“ Berti sagte noch einmal: „Es wird die kummervolle Errettung aus der Hergebrachtheit sein“ und ging wirklich zur Sparkasse. Dort wurde sie vom Direktor persönlich empfangen, ein von Pfarrer oder Lehrer aufgesetztes Empfehlungsschreiben verschaffte ihr Einlass.

„Nun gibt es“, sprach der Sparkassen-Direktor, „keine zuverlässigen, allgemeingültigen Regeln für das Geld.“ Er verlor völlig das Interesse an diesem Thema und zeigte ihr ein paar Abbildungen: „Die lebende Kaltspeise“, „Die künstliche Atmung“ und „Das handdicke Wasser“. So kehrte Berti am Abend mit leeren Händen zurück.

Inzwischen hatte Gerd einen Laden, aber keine Kneipe eröffnet. Der Gedanke an einen Kredit der Sparkasse hatte dies ermöglicht. Berti war überrascht und nannte diese Vorgänge „eine unerwartete Entwicklung“. Grundsätzlich hatte sie jedoch nichts gegen einen Laden, zumal dieser „Das Herumreiten auf dem Schmutz und das letztliche Obsiegen desselben“ hieß.

„Das Kaufmännische ist die richtige Idee in unserer Zeit“, sagte sie. Selbstverständlich musste der Laden nun florieren, denn der Kredit heulte ums Haus. Um Kundschaft in ihren Laden zu zwingen, scheuten Berti und Gerd kein Mittel. Hinter die Schaufensterscheibe klebten sie einen Zettel mit der Aufschrift „Bitte hier reinkommen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen