das haus des schreckens:
von RALF SOTSCHECK
Wenn es brennt, kommt die Feuerwehr. Das ist auch in Irland so. Manchmal ist sie aber gar nicht erwünscht. Als Stephens Laden mit angeschlossenem Postamt in einem kleinen Dorf an der irischen Westküste in Flammen stand, rückten nicht nur die Feuerwehrleute an, sondern auch die Nachbarn mit Wassereimern. Stephen empfing sie mit einem Benzinkanister und drohte jeden, der einen Löschversuch unternehme, mit Benzin zu übergießen und ins Feuer zu schubsen.
Ein schlecht getarnter Versicherungsbetrug? Das Haus war gar nicht versichert, 350.000 Euro gingen in Rauch auf. Also müsse Stephen verrückt sein, beschlossen die Nachbarn. Das ist er aber keineswegs. Er wollte das Haus ohnehin abreißen und einen neuen, größeren Laden mit einer Wohnung im ersten Stock bauen. Da aber die Nachbarn ständig Widerspruch gegen seine Pläne einlegten, bekam er keine Baugenehmigung. Nach der Feuersbrunst wagte es niemand, Einspruch einzulegen. Die Leute hatten Angst, dass der irre Stephen ihnen dann das Dach über dem Kopf anzünden würde.
Er schob dagegen einen logischen Grund vor, das verhasste Haus dem Erdboden gleichzumachen: Es war verhext. Seit 1910, als das Haus gebaut wurde, seien fünf Bewohner eines tragischen Todes gestorben. Ein junger Mann sei ertrunken, kurz darauf kam auch sein Bruder im Meer um. 1950 erschoss sich der damalige Besitzer. Dessen Sohn wurde vom Blitz getroffen, und weil seine Schwester das mit ansehen musste, erhängte sie sich aus Gram. Das ist alles im Stadtarchiv belegt.
An Spukhäusern hat es an der irischen Westküste ohnehin keinen Mangel. Ein paar Meilen von Stephens Haus entfernt wohnt ein berühmter Konzertinaspieler, der die Druckknöpfe so flink bedienen kann, dass er Jahr für Jahr die irischen Meisterschaften gewann, bis es ihn langweilte und er nicht mehr am Wettbewerb teilnahm. Sein Grundstück war bis vor kurzem mit einem Eisentor gesichert, das an zwei Säulen befestigt war. Auf den Säulen thronten grauenhafte Adler aus Stein. Jedesmal, wenn der Musiker das Tor schloss, dauerte es keine zwei Minuten, und es öffnete sich quietschend. Es half auch nicht, dass er das Tor zunächst mit einem Seil und später mit einer Stahlkette festband: Kaum war er außer Sichtweite, ging das Tor quietschend wieder auf. Neulich riss er Tor, Säulen und Zieradler ab, und seitdem herrscht Ruhe.
Für Stephen war das ein Beweis, dass manchmal radikale Lösungen erforderlich seien. Sein Plan ging dennoch nicht auf. Bei der Polizei hatte er einen „Moment des Wahnsinns“ als Grund für seine Feuerteufelei vorgeschoben, und davon bekam die Versicherung Wind. Wer einmal durchdreht, könne es auch ein zweites Mal tun, argumentierten die Versicherungen und verweigerten Stephen einen Vertrag. Da sich Versicherungsunternehmen, die in Irland ähnlich kriminell wie Drogenkartelle operieren, gegenseitig vor riskanter Kundschaft warnen, bekommt Stephen in Irland keine Police mehr. Die benötigt er aber, wenn er den Laden verpachten will. Den Neubau musste er stoppen. Die Bauruine steht zum Verkauf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen