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das gerätDas kaukasische Doppelrohrblatt

Eine gewisse Vorsicht ist angebracht, wenn etwas auf die immerselbe Weise umschrieben wird. So wie die (alternativ: das) Duduk verdächtig oft als „armenisches Nationalinstrument“ daherkommt, übrigens auch in der taz. Nicht dass diese ein klein wenig denkfaule Stanze komplett falsch wäre, aber: Wenn ich sie nicht schon kenne, die Duduk – weiß ich dadurch, sagen wir: wie sie klingt? Eben.

Um’s zu lüften: tiefe Oboe, das trifft es ganz gut. Und das lässt sich anhören bei den 74. Sommerlichen Musiktagen im niedersächsischen Hitzacker. Da tritt unter anderem Emmanuel Hovhannisyan auf, Komponist und Duduk-Spieler, 30 Jahre alt und – aus Armenien. Geboren in der Hauptstadt Jerewan ist er, heißt es, einer der bekanntesten Musiker des Landes, aber das ist auch so eine merkwürdige Kategorie.

Hovhannisyan lernte unter anderem am staatlichen Konservatorium Jerewan und heimste 2002 einen Preis beim Blech- und Holzblasmusikinstrumente-Festival in Wien ein; ausgezeichnet wurde er noch öfter, 2012 etwa mit dem niederländischen Edison Award Jazz/World sowie dem Armenischen Nationalmusikpreis, der wirklich beinahe so heißt. Er ist an diversen Formationen beteiligt. Eines davon ist das Gurdjieff-Ensemble, von dem gibt es mehrere Alben beim deutschen (demnächst in der Hamburger Elbphilharmonie Geburtstag feiernden) Jazz-/Neue-Musik-Label ECM.

In Hitzacker spielt er mit beim Programm „Armenische Miniaturen“, aber da werden auch georgische Miniaturen angekündigt. Wo wir schon bei Grenzen und Nachbarn sind: Mitnichten gibt es die Duduk nur im heutigen Armenien, sondern in der ganzen Region – auch bei den Türken, die bis heute leugnen, armenisches Blut an ihren osmanischen Hängen zu haben. Sie ist Teil der Familie der asiatischen Doppelrohrblattinstrumente, die sich bis in vorchristliche Zeit zurückverfolgen lässt.

Zu hören ist das Ding, klar, in den traditionellen Musiken jener so oft umgemodelten, überrannten und neu zugeschnittenen Weltgegend. Und bis nach Hollywood hat sich herumgesporochen: Soll die Tonspur zu Tränen rühren, taugt die Duduk sehr gut, ein wenig wie die Klezmer-Klarinette. Vielleicht erklärt ja auch das die hartnäckige Assoziation mit der armenischen Nation: Die Menschen dort hatten nun wirklich Grund zur Trauer.

Für anders gesinntes Publikum bieten die Händler auf dem „Vernissage“-Markt, einer Art Kunsthandwerksmeile im Herzen Jerewans, auch „moderne“ selbst gebrannte CDs – meist begleiten die bauchige Duduk schmierige Synthesizerflächen und fiese Dancefloorbeats. Aber dafür kann Emmanuel Hovhannisyan ja nichts. Alexander Diehl

„Kaukasische Miniaturen“: Sa, 27. 7., 22.10 Uhr, Hitzacker (Elbe), St.-Johannis-Kirche.

74. Sommerliche Musiktage Hitzacker: 27. 7–4. 8., www.musiktage-hitzacker.de

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