das europäische detail: Die oder das Falafel
Man sieht diese Nahrung mittags an Baustellen in Riga, natürlich in Mailand, ebenso in Innsbruck oder sonst wo in Europa – und was da so gemampft wird, in Deutschland hätte man früher gesagt: mit Kohldampf nach der ersten Halbzeit eines Arbeitstages, trägt den schönen, internationalisierungsfähigen Namen: Falafel.
In Tel Aviv ist das gerade eine der liebsten Speisen für den schnellen, lange zu sättigenden Hunger für Journalist*innen und Aficionados des Eurovision Song Contest. Und es wird in Tel Aviver Outdoor-Kneipen gern über dieses vegetarische Frittierbällchenteil gestritten. Sagt also Yossi: Das hat eindeutig ägyptische Tradition. Andere vermuten den Ursprung im Libanon oder Palästina. Für Ahmed steht fest: Erst in Israel hat es die Falafel zu richtiger Reife gebracht. Und Galid fügt an: Sie kommt aus dieser Gegend, egal, wie man das nennt.
Kichererbsen oder Bohnen werden püriert, Kräuter und Gewürze hinzugefügt – zu mikrofrikadellenmäßigen Bällchen geformt ergibt das eine magenfüllende Speise. Den freundschaftlichen Zank um cultural appropriation kann man im wahren Leben vergessen. Falafel ist europäisch geworden, eine Nahrung, die das multiple Kulturaneignungskonzept eines lebendigen Europa, sogar klassenübergreifend, siehe Bauarbeiter*innen, anzeigt.
Gut so. Es kann sich nur durchsetzen, was appetitlich ist – und auch noch schick aussieht. Deutsche Traditionalist*innen mögen bitte nachexperimentieren: Es soll schon Falafel auf Suppengrünbasis geben, abgeschmeckt mit Liebstöckel und krauser Petersilie. Der Orient mag als politische Idee nicht so viele überzeugen, aber für diese Frittierklöße – kann der Dank nicht groß genug sein. (JaF)
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