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das ding, das kommtNackt, vollkommen ungezügelt und frei

Dialog ohne Zaumzeug: Die Theatermacherin Laetitia Dosch sucht in Hannover ein neues Verhältnis zum Pferd Foto: gemeinfrei

Das ist ja ein Ding. Ein echtes Pferd auf der Bühne. Nicht possierlich dressiert wie im Zirkus. Auch kein wacker durchs Opern-Open-Air-Szenario gezerrter oder in kitschsatte Showformate wie „Apassionata“ gezwängter Rappe. Nirgendwo Stress nach Art der Karl-May-Festspiele vorgeführt oder als Gag zum „Dreigroschenoper“-Finale mit reitendem Boten auf die Bühne getrieben zu werden. Sondern einfach naturbelassen steht er da, der lässig kraftstrotzende Wallach Corazon. Mit so anmutiger wie massiver Präsenz. Ganz bei sich.

Ungesattelt wie in der Freilandhaltung. Kein Zaumzeug zum Führen und Lenken schneidet sein Fleisch. Weit und breit ist auch keine Dompteuse mit Peitschenmacht auszumachen. Nur eine Amazone, so nackt wie das Pferd. Sie zieht ein Schwert, um für beider Beziehung den poetischen Kampfesritt gen Utopie zu wagen, für eine Gesellschaft, in der Frauen und Tiere nicht mehr auf den Rang eines Objekts reduziert werden. Sie sollen Komplizen sein, Gleichgestellte.

Klar, Mädchen und Frauen lieben Pferde, weil Jungs noch nicht so weit und Männer eine einzige Enttäuschung sind. Aber Laetitia Dosch will mit ihrem „Hate“ betitelten Pas de deux bei den Theaterformen in Hannover auch ganz grundsätzlich „Love“ predigen zwischen Mensch und Tier. Es soll nicht mehr zum Kuscheltier erniedrigt, in Käfige gesperrt oder verspeist werden.

Da ist ein von Her- und Abrichtung freies Pferd ein theatral prima Statement, egalitär miteinander umzugehen. Also ohne jegliche Form von Beherrschung, Manipulation, Ausbeutung. Realiter wäre das ein dolles Ding. Bleibt aber Inszenierung. Eine herausfordernde Kunstbehauptung. Während Doschs egozentrischer Erzählung vom Verzweifeln am Zustand der Welt, guckt das Pferd halt so, wie Pferde so gucken. Ob es zuhört, was versteht, schnaubend und Hufe scharrend einen Dialog anstrebt, weiß niemand. Mal wirkt sein Verhalten übermäßig fügsam, meist aber latent unvorhersehbar. Ungezügelt eben. Es verändert auch ab und an selbstinitiativ die dramatische Situation.

Naturgemäß aber bleibt es bei zwei unterschiedlichen Arten zu monologisieren. Das Pferd artikuliert eher tänzerisch und pantomimisch, die Schauspielerin nachdrücklich räsonierend wie auch singend. Schreibt aber schließlich in anthropromorphistischer Anmaßung ihrem Corazon menschlicher Sprache und Gefühle zu. Das Ding mit der Freiheit hält halt nicht jeder aus. Jens Fischer

Sa/So, 29./30. 6., 19 Uhr, Hannover, Schauspielhaus

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