das ding, das kommt: Imperialistische Menschenflüsterer
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Es gibt dieses Lebensalter, da müssen sie ja ohnehin immer dabei sein: Lemmy, Trolline oder Flauschi beispielsweise zur Besteigung des Turms des Hamburger Michels mitnehmen, das geht vollkommen in Ordnung, sagen wir: solange die Kinder noch im Grundschulalter sind. Wer danach partout nicht auf öffentliche Kuscheltier-Begleitung verzichten mag, steht zumindest unter Verdacht, nicht angemessen gealtert zu sein.
Andererseits: All diese Diddl-Mäuse an Rucksäcken, die tragen heute ja gerade nicht die Kinder. Überhaupt: Seit den 1950er-Jahren sei eine „sprunghafte Zunahme der Popularität von Kuscheltieren“ zu beobachten und darüber hinaus „eine in allen Lebensbereichen kaum zu übersehende Popularisierung des Kuscheltier-Images“, schreibt die Psychologin, Puppen- und Kuscheltier-Expertin Insa Fooken im Buch „Puppen – heimliche Menschenflüsterer“.
Ein „großes regressives Bedürfnis nach Symbiose, Trost und Kuscheln“ stecke hinter dem „Kuscheltiersyndrom“: „Es sind ja in den meisten Fällen keine augenzwinkernden Zitate, die da herumbaumeln, sondern sie sind wie der Ausdruck einer sich selbst vergewissernden Bedürftigkeit“, sagte Fooken dem Zürcher Tagesanzeiger. Und vermutete hinter der schamlosen Ausstellung der eigenen Infantilität eine Schutzreaktion in einer zunehmend als krisenhaft wahrgenommenen Welt.
Nicht ungefährlich: „Fast könnte man von einer imperialistischen Übernahme der menschlichen Umwelten durch Kuscheltiere sprechen“, schreibt Fooken in ihrem Buch: „Sie bevölkern und bekuscheln diverse Umweltnischen in einem erstaunlichen Ausmaß: Schulranzen, Rucksäcke, Taschen, Betten, Autos, Großraumbüros etc.“ Man muss hinzufügen: auch Kirchtürme. Denn auf einen solchen, den bereits erwähnten Michel-Turm, darf man diesen Sonntag – am „Plush Animal Lover’s Day“ – bei freiem Eintritt klettern, wenn man denn einen plüschenen Kuschelbegleiter mit sich führt.
Andernorts, etwa in der schweizerischen Gemeinde Frick, werden Kuscheltiere längst ja auch im Rahmen von Tiergottesdiensten mitgesegnet. Schließlich seien auch sie wie Er Gefährte, Zuflucht und Trost, findet nämlich Pfarrer Sidler. Aber machen Sie sich jetzt bloß kein Bild von Ihm! Robert Matthies
Freier Eintritt mit Kuscheltier: So, 28. 10., Hamburg, Hauptkirche St. Michaelis
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