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das ding, das kommtGeschichte in Stein

Wer sein Gerede sprichwörtlich in Stein meißeln will, verspricht damit ewige Gültigkeit – und liegt daneben. Denn schon ein flüchtiger Blick über die Fassaden einer beliebigen Altstadt bezeugt Veränderungen im Schmuck, die von Modernisierungen aus der Mode gekommenen Zierrats bis zur Geschichtsklitterung reichen. Der Zeitgeist tobt sich an den Steinen aus, gerade weil sie so unvergänglich scheinen.

Der Fotograf Arne Schmitt hat seinen Blick von einem ganz bestimmten Gestein leiten lassen: dem Basalt, dessen Abbau und Verwendung er in der Osteifel dokumentiert hat („Basalt“, Spector Books 2018,. 170 S., 24 Euro). Kommende Woche stellt er seine Arbeiten in Bremen vor – und zeigt, wie das äußerlich eher schlichte Material Jahrhunderte Kulturgeschichte begleitet und geprägt hat.

Dabei geht es Schmitt auch um Ökonomie. Als Mühlstein waren große Blöcke einst ein kleines Vermögen wert, als Bruchstein: spottbillig. Vielleicht ist es die Erinnerung an den einstigen Wert, weshalb der wenig ansehnliche Stein repräsentative Rollen übernimmt. Denkmäler oder Kirchen verwenden ihn genauso wie in die Jahre gekommene Arbeiterhäuser. Heute, da sich auch anderes Gestein günstig importieren ließe, ist es wohl auch Identitätspflege, bei dem zu bleiben, den man schon hat. Und gerade da spiegelt Basalt die volle Bandbreite deutschen Geschichtsbewusstseins.

Da ist etwa St. Florian an eine Fassade gemeißelt. Geschult an mittelalterlichem Bombast, ragt er unangemessen wuchtig empor, drunter prangt ebenso gewaltig der Schriftzug: „Freiwillige Feuerwehr Kottenheim“. Auf einem Basalt-Emblem ist das Baujahr der Feuerwache aufgeführt: 1992 – „A.D.“, versteht sich. Eine andere Tafel auf einem anderen Haus zeigt einen Davidstern und eine Schrift, die zum Ende ohne einen weiteren Kommentar vermerkt: „Bis 1938 als Schule genutzt“.

Klar gibt es grauenhafte Tafeln auch anderswo, aber immer sind sie aus Basalt. Zum Warum heißt es im Buch, es gehe den Verursachern um die Inwertsetzung von dessen „immateriellen Eigenschaften“ – nämlich „Geschichtlichkeit und Identität“. Und das bedeutet in Deutschland fast immer: beknackt, mörderisch oder beides.

Schmitt, der am Donnerstag für ein anderes Projekt mit dem Kunstpreis der Böttcherstraße ausgezeichnet wurde, beweist erneut einen scharfen Blick für die komplexen Verflechtungen von Architektur, Kunst und Ideologie – eine fundierte Materialkunde vom Steinbruch bis zum Denkmal. Jan-Paul Koopmann

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