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das ding, das kommtEin herrlich lang gezogener Höllenmoment

Wenn einer über Anna von Hausswolff spricht, dann fängt er meist mit der Pfeifenorgel an. Weil es wohl schwierig ist mit den Genres, zwischen denen die schwedische Organistin und Sängerin da herumchangiert. „Doom-Pop“ sagt man dann so hilf- wie inhaltlos zu diesem Gewaber aus Doom, Metal, Ambient, Folk und was nicht noch alles. Naja, und dann landet man eben irgendwann zwangsläufig bei der Orgel, die den genannten Schubladen eher fremd ist – und die vor allem das unüberhörbar, aber schwer zu beschreibende Sakrale ihrer Auftritte auf den Punkt bringt.

Klar, hierzulande sozialisiert, hat man den Klang der Pfeifenorgel als Soundtrack des Gottesdienstes kennengelernt. Aber schon dieses Verhältnis ist angespannt. Auf einer Tagung zur „Orgel als sakrales Kunstwerk“ hat Liturgiewissenschaftler Wolfgang Bretschneider mal eine schöne Geschichte zum Besten gegeben. Ein junger Geistlicher, gerade neu am Priesterseminar, fragt beim Regens an, ob er die Orgel der Kapelle ausprobieren dürfe und bekommt eine harsche Abfuhr: Man habe bereits einen Organisten und wenn der irgendwann abtrete, könne sich der angehende Priester ja auf die Stelle bewerben. Dass der nur aus Freude am Spiel und an der Kunst probemusizieren wollte, macht es noch schlimmer: „Künstlerische Menschen leben vor allem aus dem Gefühl“, sagt der Seminarleiter, „und sind darum als Priester nicht geeignet. Sprechen Sie darüber mit ihrem Beichtvater.“

Keine Ahnung, ob Anna von Hausswolff religiös ist. Ein Foto, auf dem sie mit einem riesigen Patch der berüchtigten Black-Metal-Kapelle Mayhem über einen See paddelt, lässt daran jedenfalls Zweifel aufkommen.

Dass ihre Musik einen aber – eben aus dem Gefühl künstlerischer Menschen – mit der Transzendenz konfrontiert, lässt sich nicht bestreiten. Hinter der Musik steckt übrigens Randall Dunn, der sich als Produzent von Doom­drone-Größen wie Earth, Sunn o))) oder Boris einen Namen gemacht hat. Und was Dunn und Anna von Hausswolff auf ihrem neuen Album „Dead Magic“ aus der Pfeifenorgel der Marmorkirche von Kopenhagen rausholen, ist schlichtweg gewaltig.

Es drückt am ganzen Körper spürbar in diesen Dunn’schen Drone-Sumpf, aus dem von Hausswolffs Stimme einen auch nur eben so weit wieder heraussäuselt, dass man kurz nach Luft schnappen kann. Und da ist er dann wieder, der hier im besten (weil aufregenden) Sinne hilflose Begriff vom „Doom-Pop“.

Man hat den Sound der Pfeifenorgel als Soundtrack des Gottesdienstes kennenlernt. Aber schon dieses Verhältnis ist angespannt

Wenn Anna von Hausswolff selbst über die Orgel spricht, dann mit dieser Ehrfurcht, die Organist*innen oft zum Ausdruck bringen, wenn sie über ihr Instrument reden. Wie „rasiermesserscharfe Töne aus dem Dom auf sie zuschossen“, hat sie vor ein paar Tagen dem amerikanischen Online-Magazin „New Noise“ erzählt – wie das „kristallisierte Monster“ Soundcluster bildet und ein Eigenleben entwickelt, dem selbst die Musikerin offenbar hilflos gegenübersteht.

Das ist so eine Bescheidenheit gegenüber dem eigenen Werk, eine werbewirksame Demutsgeste, die man vielleicht nicht ganz ernst nehmen muss, die im Kern aber eben trotzdem wahr ist. Man kennt diesen Moment aus jedem Gottesdienst, vom Erschrecken beim ersten Ton der Orgel, bevor die Melodien der heute populären Kirchenmusik das Kristallmonster domestizieren. Bei Anna von Hausswolff dauert dieser Höllenmoment ein ganzes Album lang – und hoffentlich auch ein ganzes Konzert. (jpk)

Mo, 5. 3., 20 Uhr, Kampnagel, Hamburg

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