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crime sceneEine Leiche im Loch Lomond

Irre, wie schnell die Welt sich dreht. Das merkt man manchmal auch daran, dass Romane sich auf aktuelle Geschehnisse beziehen, die erst mal wahnsinnig wichtig, aber schon ein paar Jahre später fast vergessen sind. Im Krimi „Blut Salz Wasser“ der in Glasgow lebenden Autorin Denise Mina ist das bevorstehende schottische Unabhängigkeitsreferendum von vor dreieinhalb Jahren allgegenwärtig. Ohne dass dieses politische Ereignis für die Handlung tatsächlich von Bedeutung wäre, bedeutet es doch umso mehr für das Romanpersonal, das hier mit „Aye“, dort mit „No“-Buttons auftritt und sich deshalb gegenseitig feindselig beäugt. Gleichzeitig bringt Denise Mina das Kunststück fertig, nicht durchblicken zu lassen, wie ihre Hauptfigur, Detective Inspector (DI) Alexandra Morrow von der Kripo Glasgow, beim Referendum abzustimmen plant. Aber Alex würde sich auch ohnehin nichts anmerken lassen. Einem aufrecht proletarischen Milieu entstammend, ist sie eine Frau, die gelernt hat, sich beruflich durchzusetzen und private Regungen hinter einer kühlen Fassade zu verbergen.

Denise Mina beschränkt sich nicht auf die Perspektive ihrer polizeilichen Heldin. Große Teile des Romans werden aus der Sicht zweier sehr verschiedener Männer erzählt, die, obgleich miteinander verwandt, sich nicht kennen und zudem gegensätzliche Positionen in der Sozialleiter des beschaulichen Seestädtchens Helensburgh unweit von Glasgow einnehmen. Iain Fraser, ein Exknacki, der irgendwann in seiner Jugend unglücklich auf die schiefe Bahn geraten sein muss, wird damit eingeführt, dass er eine Frau brutal totschlägt. Die Tat ist ihm zutiefst zuwider, aber er muss eine Schuld begleichen. Das Trauma, das er sich selbst damit zufügt, wird ihn den gesamten Roman über verfolgen.

Boyd Fraser hingegen, der im selben Ort ein hippes Biokost-Café betreibt, lebt das arbeitsame, aber auch egoistische Leben eines aufstrebenden Angehörigen der gutsituierten Mittelklasse. Sein zynischer Hedonismus wird ihn noch teuer zu stehen kommen.

Denise Mina: „Blut Salz Wasser“. Aus dem Englischen von Zoe Beck. Argument Verlag, Ariadne, Hamburg 2018, 320 Seite, 19 Euro

Die großen Rätsel in diesem Roman sind sämtlich weiblichen Geschlechts. DI Alexandra Morrow beginnt anfänglich, in Glasgow zu ermitteln, da dort eine Frau verschwunden ist, die wegen verdächtiger Geschäftstätigkeiten schon länger von der Polizei observiert wird. Als Alex und ihr Kollege einer Spur ins kleine Helensburgh folgen, wird dort just eine weibliche Leiche im nahegelegenen Loch Lomond gefunden. Es handelt sich jedoch nicht um die Verschwundene. Und von den großen Dramen, die sich derweil in Helensburgh ereignet haben und bei denen organisiertes Verbrechen eine Rolle spielt, bekommt die Glasgower Polizei ohnehin erst einmal gar nichts mit. Aber wer ist eigentlich die unbekannte Frau, die kürzlich im Ort aufgetaucht ist und behauptet, das Haus ihrer verstorbenen Mutter aufzulösen?

So verwickelt die Handlung angelegt ist: Denise Mina behält überaus souverän die Fäden in der Hand. Inspiriert verbindet sie Kriminalhandlung und Lokaldrama mit gekonnter Figurenzeichnung. Gleichsam nebenbei entsteht aus den Einzelgeschichten, die sich um die zahlreichen Nebenfiguren spinnen, eine Art Untergrundreportage aus der kleinstädtischen schottischen Gesellschaft. Soziale Härten werden sichtbar, verknöcherte Strukturen, gesellschaftliche Spannungen nicht nur zwischen Ja- und Nein-Wählern, sondern auch zwischen Reich und Arm, Aufsteigern und Untengebliebenen blitzen auf. Die schottische Landschaft zwischen Meer, Stadt und dem sagenhaften Loch Lomond spielt dazu auf ganz selbstverständliche Art Kulisse.

Von den großen Dramen, die sich derweil ereignet haben, bekommt die Glasgower Polizei ohnehin erst einmal gar nichts mit

Die Hauptfigur Alex Morrow wiederum ist vor diesem opulenten Hintergrund wohltuend zurückhaltend angelegt. Obwohl charakterlich klar konturiert und definitiv auch mit eigenen Problemen behaftet, ist diese Polizistin keine Ermittlerfigur, deren Privatleben sich in den Vordergrund schöbe. Auch damit setzen Denise Mina und DI Morrow sich wohltuend ab von jenen vielen KollegInnen, deren andernorts ausführlich erörterte Beziehungs-, Erziehungs- oder Alkoholprobleme uns schon längst nicht mehr interessieren. Katharina Granzin

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