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corona in hamburg„Wie bei einem Shopping-Sender“

Silke Christensen50, hat 2017 das Brettspielcafé Würfel und Zucker in Eilbek gegründet. Während der Pandemie streamt sie unter www.wuerfelundzucker.de jeden Sonntag um 18 Uhr einen digitalen Spieleflohmarkt.

Interview Emmy Thume

taz: Frau Christensen, kommen Sie momentan selbst noch zum Spielen?

Silke Christensen: Während dieses Lockdowns haben wir im Brettspielcafé alles eng durchgetaktet: Sonntags streamen wir unseren Online-Brettspieleflohmarkt. Mittwochs packen ich und Mirko, der Spieleerklärer im Café, die Pakete mit den Spielen, donnerstags drehen wir für den YouTube-Kanal von Würfel und Zucker. Und samstags kommen wir zwei dann auch selbst mal zum Spielen.

Wie sind Sie dazu gekommen, dass Sie jede Woche hunderte Spiele bei einem Live-Flohmarkt auf Youtube verhökern?

Kurz vor dem ersten Lockdown hatten wir zu unserem alljährlichen bring-and-buy-Flohmarkt aufgerufen. Wir hatten die ganzen Spiele schon gebracht bekommen, durften aber den Flohmarkt nicht stattfinden lassen. Dann haben wir die Spiele erst über Facebook verkauft und im Sommer drei Monate geöffnet und den Flohmarkt weitergeführt. Das hatte sich rumgesprochen und es kamen immer mehr Spiele. Im zweiten Lockdown wollte ich den Laden renovieren und da hatte ich das Problem, dass da 3.000 Spiele lagen und ich nicht wusste, wohin damit. Dann kam mir die Idee, die Spiele in einem Livestream zu verkaufen, wie bei einem Shopping-Sender. Also einfach ausprobiert.

Welche Spiele verkaufen sich gar nicht gut?

Sehr geekige Sachen, die kein Mensch kennt. Wir haben immer mal wieder Spiele auf dem Flohmarkt, wo wir uns denken: Was zur Hölle ist das? Manchmal uralte Dinger. Aber auch viele neue Sachen, die einfach wild und seltsam sind.

Wie haben Sie den Flohmarkt inzwischen professionalisiert?

Bei den ersten Streams hat der erste, der in den Chat schrieb, das Spiel bekommen. Da gab es dann Unmut, sodass wir eine zufällige Vergabe mit Würfeln oder Kartendecks begonnen haben. Technisch haben wir uns auch erweitert. Wir haben ein Studio eingerichtet. Mit Software und dem Zusammenschnitt mehrerer Kameras können wir jetzt auch Nahaufnahmen machen und einblenden. Das kam bei den Leuten auch sehr gut an.

Hätten Sie gedacht, dass das Projekt so erfolgreich wird?

Überhaupt nicht, das hat sich verselbstständigt und ging sehr schnell. Im ersten Stream hatten wir noch um die 80 bis 100 Zuschauer, aber jetzt hat sich das rumgesprochen und wir haben seit Monaten immer über 240 Zuschauer.

Fühlen Sie sich als Coronagewinnerin?

Nein, absolut nicht, weil das nicht wirklich Geld in die Kasse bringt. Das ist eher so ein Projekt, das wir machen, weil wir es können und es Spaß macht. Das ist was für die Community. Ich sehe mich aber auch nicht als die große Verliererin. Klar haben wir seit November nicht auf, aber ich stecke es weg, weil ich es mir finanziell leisten kann. Ansonsten wären wir schon längst weg.

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