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corona in hamburg„Die Betroffenen brauchen ein Gegenüber“

Christa Herrmann

57, ist Sozial­pädagogin und Leiterin der Beratungsstelle KISS in St. Georg.

Interview Pascal Patrick Pfaff

taz: Frau Herrmann, Sie beraten bei KISS Menschen, die sich einer Selbsthilfegruppe anschließen wollen. Brauchte Ihre Institution während der Corona-Pause selbst Hilfe?

Christa Herrmann: Da wir aus dem Non-Profit- und Gesundheits-Bereich kommen, sind wir nicht so ausgestattet wie andere Wirtschaftszweige. Wir wurden vom Paritätischen unterstützt. Das ist unser Träger. Es galt, Hardware neu zu bestellen und die Mitarbeitenden darin zu schulen, Videokonferenzen anzubieten oder Fortbildungen umzustellen. Auch mit der Gesundheitsbehörde haben wir Rücksprache genommen: Wie sollen wir uns in bestimmten Fällen verhalten?

Sie charakterisieren Selbsthilfegruppen als „Raum für gelebte Solidarität und geschützte Offenheit“. Wie geeignet ist der virtuelle Bereich, um diese Räume zu garantieren?

Sehr begrenzt. Messenger wie WhatsApp oder Telegram sind eher weniger dafür geeignet, mit sensiblen, personenbezogenen Daten zu arbeiten. Deswegen haben wir uns schon immer mit dem Thema Datenschutz auseinandergesetzt. Wir wissen aber, dass wir um die digitalen Welten nicht herumkommen, wenn wir möchten, dass sich mehr junge Menschen für Selbsthilfe interessieren.

Welche positiven Effekte haben die Betroffenen aus den digitalen Treffen mitgenommen?

Die Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfegruppen in Hamburg (KISS) sind unter der E-Mail-Adresse kiss@paritaet-hamburg.de zu erreichen. Telefon: 040 / 39 57 67

Die Menschen konnten über einen längeren Zeitraum in Kontakt bleiben. Auch haben sich ältere Personen ohne große Internet-Erfahrung davon anstecken lassen. Sie widmen sich etwa der von uns entwickelten Selbsthilfe-App und merken dabei: „Ich kann das sogar.“ Die meisten, die sich nur noch virtuell treffen konnten, schätzen diese Möglichkeit. Sie freuen sich aber auch wieder auf die persönlichen Treffen.

Was bedeutet es für die Betroffenen, ab heute wieder in die Beratung zu kommen?

Unsere Erfahrung ist, dass es manchen Menschen leichter fällt, über gesundheitliche oder seelische Probleme zu sprechen, wenn sie in einem persönlichen Kontakt stehen. Sie brauchen ein Gegenüber. Als Berater*in kann man da auch anders reagieren als am Telefon, weil man ganz andere Eindrücke mitbekommt. Man kann besser Trost spenden. Auch muss sich bei uns keiner Sorgen machen, denn wir haben ein Sicherheits- und Hygienekonzept.

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