cdu-dilemma: Leiden für Landowsky?
Der Wind hat sich erstaunlich schnell gedreht. Als CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky Anfang März die letzte Gelegenheit für einen geordneten Rückzug verpasste – da sah es aus, als würde sich auch diese CDU-Krise in die Krise einer gedemütigten SPD verwandeln. Diesmal hatte sich Landowsky getäuscht: Die SPD zeigte ungewohnte Geschlossenheit, drohte mit Neuwahlen und riss die Initiative wieder an sich.
Kommentar von RALPH BOLLMANN
Die Neuwahldrohung hat inzwischen eine Eigendynamik entwickelt. Mit den zehn bitteren Jahren in der großen Koalition hat manch ein Sozialdemokrat innerlich schon abgeschlossen. Nicht mehr durch sein Ausharren, sondern durch einen Rücktritt würde Landowsky die SPD jetzt in die Bredouille bringen: Kann man, nach all dem Geschrei über das Ende des „Systems Westberlin“, einfach mit Diepgen weiterregieren, als wäre nichts gewesen?
Ob Landowsky seiner Partei diesen letzten Dienst erweisen wird, ist allerdings höchst ungewiss. Noch gibt sich der Exbanker entschlossen, die CDU in ein letztes Gefecht gegen den Kommunismus zu führen und damit die absolute Mehrheit einzufahren. Solange das nichts anderes war als eine Drohgebärde an die Adresse der SPD, konnten seine Parteifreunde damit leben. Das hat sich geändert, seit vorgezogene Wahlen in den Bereich des Möglichen gerückt sind: Jetzt müssen sich die Christdemokraten fragen, ob sie in solch ein selbstmörderisches Gefecht ziehen wollen, nur damit ihr Fraktionschef sein Gesicht wahren kann.
Es bleiben zwei Probleme: Wie inszeniert man Landowskys Abgang, ohne dass es danach aussieht, als sei die Partei vor dem Druck des Koalitionspartners eingeknickt? Und, vor allem: Wie überzeugt man den Exbanker selbst davon, dass seine Zeit abgelaufen ist? Solange diese beiden Fragen nicht beantwortet sind, haben vorab verbreitete Rücktrittsmeldungen vor allem eine Funktion – die Neuwahllust der SPD vor ihrem morgigen Parteitag zu dämpfen.
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