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car sharing Michael Glotz-Richter erklärt, wie Cambio-Konkurrenten auf dem Bremer Leihautomarkt Fuß fassen können„E-Autos sind zu teuer“

Verkehrsplaner Michael Glotz-Richter in seinem Büro Foto: Jean Philipp Baeck

INTERVIEW Jens Fischer

taz: Herr Glotz-Richter, wurde irgendwo nachgewiesen, dass kommerzielles Carsharing dabei hilft, Bremens Straßen und Parkplätze von Autos zu befreien?

Michael Glotz-Richter: Eine Untersuchung belegt, die der Bremer Carsharing-Platzhirsch Cambio bei den über 10.000 Nutzern durchgeführt hat, dass jedes seiner stationsgebundenen Autos elf private ersetzt, das sind insgesamt 2.500. Damit liegt Bremen über dem Bundesdurchschnitt. In unserer Innenstadt ist die Quote höher als in den Stadtteilen der Peripherie. In 2005 haben wir selbst eine Studie extern durchführen lassen. Dort hat sich eine Ersetzquote von 9,5 gezeigt. Im nächsten Jahr werden wir das noch mit einer neuen eigenen Untersuchung überprüfen, die alle drei Bremer Anbieter umfassen soll: Cambio, Move About und Flinkster.

Die DB-Tochter spielt eine Rolle in Bremen?

Flinkster ist derzeit nur am Bahnhof präsent für Kunden, die mit dem Zug ankommen und ins Umland weiter wollen. Das heißt, diese Autos werden nicht von Bremern genutzt und sind für unsere Planungen noch nicht so wichtig.

In anderen Städten ist Flinkster umfassender präsent.

Ja, dort kooperieren sie mit lokalen Anbietern und haben wie hier Cambio auch das Angebot in den Wohngebieten.

Warum hat Cambio in Bremen geradezu monopolistisch die Marktführerschaft übernehmen können?

Sie waren die ersten, wurden hier 1990, also noch vor der weiten Verbreitung des Internets, aus der lokalen Ökobewegung heraus, der Stadtauto-Initiative, gegründet und sind daher in Bremen gut verwurzelt und vernetzt. Der große Sprung war 1998, als der Autozugang per Smartcard möglich wurde. Carsharing war nun nicht mehr nur einer sich gegenseitig vertrauenden Teilergruppe möglich, sondern als Dienstleistung im großen Stil. Diesen Schritt ist der einst einzige Cambio-Konkurrent Teilauto nicht mitgegangen und vom Markt verschwunden.

Der aktuelle Mitbewerber Move About beklagt für seine E-Autos, dass nur Cambio für seine reine Diesel- und Benziner-Flotte immer wieder Stellplätze auf bremischem Grund vermietet und hergerichtet bekommt.

Michael Glotz-Richter

ist Referent für „Nachhaltige Mobilität“ beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr

Carsharing muss primär den Parkraum entlasten – und das muss nachgewiesen werden. Die Unternehmen müssen zudem nachweisen, offen für alle zu sein – 24 Stunden lang, sieben Tagen die Woche. Es darf zudem keine Freikilometer geben – also keinen Anreiz, unnötig mit dem Auto rumzugurken. Die Fahrzeuge müssen auch nach Herstellerangaben gewartet werden. Das sind die Kriterien des Blauen Engels. Für die Zertifizierung gilt zudem eine strenge Anforderung, was die jährliche Verminderung des direkten CO2-Ausstoßes angeht.

Den können Elektroautos ja so nicht nachweisen, weshalb sie das Siegel des Umweltbundesamtes nicht kriegen.

Richtig, die waren ausgenommen. Das Problem haben wir mit Move About im Dezember 2014 aber ausgeräumt: Wenn alle anderen Anforderungen des Blauen Engels erfüllt werden, müssen E-Carsharing-Unternehmen in Bremen nicht die Einhaltung der Abgaswerte nachweisen, sondern dass sie ihre Autos mit Strom aus regenerativen Quellen betanken. Das alles gelingt Move About.

Und warum weisen Sie Ihnen trotzdem keine Standorte zu?

Weil Move About immer noch nicht mit einer Umfrage bei ihren Nutzern nachgewiesen hat, dass sie zu einer substanziellen Entlastung des Parkraums beitragen. Das ist gegeben, wenn ein Carsharing-Auto sechs private ersetzt. Wenn das geschehen ist: Go! Dann werden auch sie in die Vergabe mit eingeschlossen.

Was buttert Bremen in die Verringerung des Parkdrucks?

Bremen hat kein Geld für neue Hoch- und Tiefgaragen. Unser Ziel ist eine Parkraumentlastung durch Carsharing. Aber kein Unternehmen bekam oder bekommt Geld dafür von uns. Die müssen sich am Markt bewähren. Wir finanzieren Aufklärungsaktionen, betreiben Öffentlichkeitsarbeit, stellen Standorte zur Verfügung. Und 2013 haben wir das Stellplatz­ortsgesetz geändert. Wer einen Neubau hochzieht, muss Parkplätze in bestimmter Anzahl zur Verfügung stellen. Oder eine Ablösesumme von gut 10.000 Euro zahlen.

Es darf keine Freikilometer geben – also keinen Anreiz, unnötig mit dem Auto rumzugurken

Haben Sie noch Stellplätze im Viertel in petto?

Klar. Gerade in solchen Knubbelquartieren ist das ja besonders wichtig. Gerade dort wächst der Markt und gleichzeitig ist dort das größte Bedürfnis nach Parkraumentlastung. Cambio gewinnt monatlich 100 bis 150 Neukunden. 20.000 Carsharer wollen wir insgesamt in 2020 in Bremen haben,und eine Entlastung um 6.000 PKW.

Warum fördert ein grüner Bremer Umweltsenator nicht explizit Carsharing mit E-Autos?

Die sind noch zu teuer. Wir haben leider keine Bundes- und EU-Fördermittel für E-Autos einwerben können und können daher den Preisunterschied nicht ausgleichen. Aber mittelfristig erhoffe ich bei den Carsharing-Unternehmen auch in Bremen gemischte Flotten. Das ist unser politischer Wille. Mit der BSAG werden wir zudem auf E-Busse setzen.

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