bush nervt schröder: Mit Wut und Frust zur Emanzipation
Was lange unter der Oberfläche gärte, ist zum lautstark geführten Schlagabtausch geworden. Über den drohenden Irakkrieg ist das Verhältnis zwischen der deutschen und der US-amerikanischen Regierung so schlecht wie nie zuvor seit Ende des Zweiten Weltkrieges. In gänzlich undiplomatischer Sprache haben Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Botschafter Dan Coats bereits ihre geringer werdende politische Wertschätzung ausgedrückt. Eine Fortsetzung steht zu erwarten.
Kommentar von BERND PICKERT
Spätestens seit dem Amtsantritt George W. Bushs stimmen die europäischen Regierungen – und hier insbesondere die deutsche – in immer weniger Fragen mit den USA überein. Die rot-grüne Bundesregierung kann es sich tatsächlich zugute halten, die Europäische Union sehr klar geführt und gegen die USA in Stellung gebracht zu haben, zuletzt etwa beim Internationalen Strafgerichtshof, wo sie ein Ausnahmerecht für die USA ablehnt. In Europa isoliert, wie US-Botschafter Coats behauptet, hat sie sich nicht.
Doch die Wut und der Frust der Verhandler über immer neue Sabotage aus Washington blieb bislang hinter den Kulissen. Jetzt bricht sich an der Irak-Frage der Konflikt öffentlich Bahn. Dass es sich dabei – auch – um Wahlkampf handelt, kann niemand bestreiten. Interessant ist daran, dass sich in dem Jahr seit dem 11. September offenbar auch die öffentliche Wahrnehmung der USA in Deutschland deutlich geändert hat. Nicht die Verkündung uneingeschränkter Solidarität soll den Wahlkämpfern Punkte bringen, sondern die lautstarke Aufkündigung derselben in der Irak-Frage.
Schon einmal, vor 20 Jahren, hat das Verhältnis zu den USA einer SPD-geführten Bundesregierung zu schaffen gemacht. Damals ging es um die Raketenstationierung, den Nato-Doppelbeschluss. Die SPD unter Helmut Schmidt war intern zutiefst gespalten und verlor bald die Regierungsmacht, die Grünen wurden groß und Helmut Kohl Kanzler. Der Konflikt aber berührte das amtliche deutsch-amerikanische Verhältnis nicht. Noch tief im Kalten Krieg gefangen, war ein offener Dissens der westdeutschen Regierung mit Washington nicht denkbar.
Das ist heute anders. In den letzten Jahren ist die deutsche Beteiligung an Kriegen immer auch mit dem Argument begründet worden, Deutschland müsse sich durch auch militärisches Engagement außenpolitisch emanzipieren. Es scheint, dass immerhin das erreicht worden ist. Wenigstens bis zum 22. September.
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