bundeswehrblockaden und andere konspirativitäten: Alles im Griff: Mit Handheld-Bildschirm, Charme und Handy-Kopfhörer
Protest-PR, perfekt gemacht. Ein Nachruf
Nein, einen Rückruf wünsche er nicht, aber er würde sich später in der Redaktion melden. Der Aktivist der Jungdemokraten/Junge Linke hielt Wort: „Treffpunkt 16 Uhr, pünktlich!“, so der Anruf aus einer Telefonzelle. Im Vorfeld der Protestaktionen zum Bundeswehrgelöbnis war Konspirativität angesagt – und eine professionelle PR-Arbeit, die jedem Start-up-Unternehmen, kaum aber linken Basisgruppen zugetraut wird.
Am Treffpunkt wartet ein knappes Dutzend Journalisten. Drei Minuten nach vier zückt Sascha Baumann (Name geändert) seinen Handheld-Computer. „Wo ist Herr X von der Berliner Zeitung?“ Der junge Mann in dunkelgrauem Anzug blickt fragend in die Runde. Keine Antwort. Die Journalistenaugen scheinen zu fragen: Sieht so ein Straftäter aus? Der Endzwanziger mit dem gepflegten Kurzhaarschnitt lässt sich nicht beirren. Er gleicht die Daten der Anwesenden mit denen im Computer ab. Protest will gut organisiert sein. Wo es hingehe?, will ein Fotograf wissen. „Mit dem Bus in den Norden der Stadt“, antwortet lächelnd der große Organisator. Die dunklen Augen des smarten action managers blicken über die Runde hinaus – auf dem Parkplatz haben sich Zivilpolizisten postiert.
Eine Viertelstunde später fährt ein gemieteter Transporter vor. „Möchte jemand etwas trinken?“, fragt zuvorkommend der Student, der das PR-Handwerk offenbar von der Pieke auf gelernt hat. „Einsteigen, bitte!“ Die Fahrerin, eine hip gekleidete junge Frau, öffnet lächelnd die Tür, die Reporter zwängen sich auf die Sitze, und der Wind trägt einen angenehmen Schwall Unisex-Parfüm in den Wagen. Wer das alles bezahle, will ein eifriger Journalist wissen. „Die FDP“, sagt Baumann breit grinsend. Infotainment ist alles.
20 Minuten später hält der Wagen an der Müllerstraße im Wedding, das Verkehrsmittel wird gewechselt. Die Reporter trotten etwas ratlos ihrem Stadtführer hinterher, der in den U-Bahnhof hinabsteigt. Ein paar lösen noch schnell Fahrkarten. „Was wird eigentlich passieren?“, fragt einer im Zug. Neben Neugier mischt sich Besorgnis in die Stimme. Irgendwo müsse der Bundeswehrkonvoi herkommen, meint Sascha Baumann. „Wir können uns überall bemerkbar machen.“ Dann widmet sich Baumann seinem Handy, im Ohr den Kopfhörer und am Hals das Minimikrofon. „Wir sind in drei Minuten da.“
Am Kurt-Schumacher-Platz ist Endstation für den Pressetross. Baumann führt die Journalisten rasch durch die Gänge des Einkaufscenters, wechselt unvermittelt die Richtung, plötzlich geht es bei einem Seitenausgang ans Tageslicht. Der Trupp landet auf einem Parkplatz, blickgeschützt hinter einem Holzaun.
Auf der Ausfallstraße rauscht der Verkehr vorbei. „Nach den Planungen der Bundeswehr müsste der Konvoi gleich vorbeikommen“, sagt Baumann und blickt auf die Uhr. Woher er das wisse, fragt die Presse. „Betriebsgeheimnis.“
Ein paar Meter weiter rennen plötzlich mehrere Aktivisten, mit Straßenarbeiterwesten bekleidet, auf die Straße und blockieren die Fahrbahn. 50 Meter weiter flitzen andere junge Leute auf eine Kreuzung, räumen eine rosa Pappmaché-Couch auf die Straße. „Tucholsky hat Recht“, ist auf einem Transparent zu lesen. Die Fotografen knipsen. Sie kommen gerade rechtzeitig, zwei Minuten später stürzen Polizisten herbei, zerren die Protestierer weg. Der Konvoi kommt – an den Fenstern kleben verdutzte Gesichter.
Damit auch jeder der geladenen Journalisten schwarz auf weiß hat, worum es in den zwei Minuten Action ging, wird am Rande die Presseerklärung verteilt: Der zentrale Buskonvoi der Bundeswehr zum Gelöbnisort sei blockiert worden, heißt es. „Unmittelbar nach der Ausfahrt aus der Julius-Leber-Kaserne setzten sich Jugendliche unter dem Motto ,Gelöbnix – diesmal bleiben wir zu Hause‘ mit einem mobilen Wohnzimmer auf eine Kreuzung.“ Damit hätten sie auf Verlautbarungen der Bundeswehr reagiert, dass Störer in diesem Jahr zu Hause bleiben sollten. RICHARD ROTHER
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