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Archiv-Artikel

büchersendung, quo vadis? vol. 2 von MICHAEL RUDOLF

Einleitung: Die Post ist eine Institution mit einfachen Feindbildern. Bisher verwandte sie enorme Mittel darauf, dies mehr oder minder geschickt zu verbergen. Seit der Einführung des Euro ist das anders.

Nehmen Sie meinen Paketzusteller. Ein feiner Mann, doch, doch. Aber seine Tourenplanung kollidiert täglich mit meiner Morgentoilette. Es ist würdelos, Büchersendungen ohne Unterhose, mit Springbrunnenfrisur oder halbseitig rasiert entgegenzunehmen. Modifiziere ich meinen morgendlichen Rhythmus, gilt jede Wette, dass der Paketzusteller darauf mit einer Änderung reagiert, die den ursprünglichen Zustand wiederherstellt: Er beginnt die Tour andersrum, macht sein Frühstück vorher, verlegt es nach hinten oder was auch immer.

These: Die Post AG hasst das Befördern von Büchern.

Beweisführung: Eigens hierzu hat sie den Tarifkomplex „Büchersendung“ ersonnen. Für die gängigste Form dieses Beförderungsnachteils, die beliebte „Büchersendung Groß“ (bis 500 Gramm), lässt sich die Post AG mit 0,77 Euro bestechen. Fein. Nur gibt es kein Postwertzeichen im Gegenwert dieses Betrages. Das Beratungsgespräch am Postschalter ergibt, ich möge drei vormalige Fünfzigpfennigbriefmarken (0,26 Euro) verwenden. Aha. Aber umgerechnet entsteht eine Summe von 0,78 Euro.

Der doppelte Fehlbetrag entsteht bei der doppelt beliebten „Büchersendung Maxi“ (bis 1.000 Gramm) für 1,28 Euro. Die Bürger hinter mir beginnen bereits unruhig zu scharren. Eine Vertiefung des Sachverhaltes scheint nicht angeraten. Sicher hätte es sich anders verhalten, gäbe es die Beförderungsform „Bohrmaschinensendung“. Im Nu hätte ich die proletarischen Massen auf meiner Seite und könnte Rädelsführer systemgefährdender Unruhen werden.

Ein weiteres Beratungsgespräch ergibt die interessante Anregung, ich könne eine handelsübliche 0,56 Euro-Marke erwerben und den Differenzbetrag ganz cool am Automaten ergänzen. Doch mache ich die Erfahrung, dass diese Automaten die für eine ganz coole Ergänzung erforderlichen Zweicentmarken nicht im Sortiment führen, nur Eincent- oder Viercentmarken. Da gibt es aber einen einfachen Trick: Man verlange eine Viercentmarke und zahle mit einer Fünfcentmünze. Die Frage des Automaten nach Retournierung des Wechselgeldes qua Eincentmarke beantworte man kühn mit Ja, und schon ist man stolzer Besitzer einer Eincentmarke. Diesen Vorgang wiederhole man, und die Büchersendung kann korrekt frankiert auf Reisen gehen. Komplikationen entstehen höchstens, wenn man nicht über genug Fünfcentmünzen verfügt oder, nur mal ein Beispiel, zweiunddreißig Büchersendungen auf einmal verschicken möchte. Die im Augenblick nicht benötigten Viercentmarken aber kann man für eine etwaige „Büchersendung Maxi“ sammeln. Wie praktisch.

Ausblick: So zieht sich die Post AG nicht nur kritische, sondern auch strategisch handelnde Feinde heran. Kann gut sein, ich bringe die Bücher ab jetzt persönlich. Mit meinem Paketzusteller als Chauffeur.