buchtipp: AfrikanischerMikrokosmos
Der Holländer Adriaan van Dis hat eine Insel vor der Westküste Afrikas geschaffen, deren „Übereinstimmung mit existierenden Inseln nicht zufällig ist“, die dennoch kein Leser „im Atlas wird finden können“. So steht es im Vorwort. Ein exemplarisches Stück Afrika also, wahrer als die Realität, weil komprimiert und auf den – wenn auch subjektiven – Punkt gebracht.
Die Erzählung beginnt ganz ruhig, lakonisch reflektierend. „Heute früh erreichte mich ein Brief aus Afrika.“ Das erinnert stark an den berühmten Anfang von „Jenseits von Afrika“: „Ich hatte eine Farm in Afrika.“ Worauf van Dis hinauswill, ist klar: eine Geschichte erzählen, die individuelles Verhalten und die Atmosphäre eines ganzen Kontinents vereinigt.
Im ersten Teil werden verschiedene Typen eingeführt, die Afrika hervorbringt: der „moderne“ Brite, der sich für die Ökologie einsetzt und meint, der große Intimkenner afrikanischer Mentalität zu sein, die amerikanische Künstlerin, die aus mysteriösen Gründen auf der Insel hängen geblieben ist, der einheimische Führer, so undurchsichtig wie aufrichtig, und schließlich der Kolonialbrite, Inbegriff der Abgeklärtheit: „Afrika ist ein einziges großes Labor, voller faszinierender Prozesse und Kettenreaktionen. Man muss es brodeln und dampfen lassen, aber darf nicht eingreifen. Wir haben schon zu viel verdorben.“
Der zweite Teil trifft einen unerwartet. Aus der träge dahinfließenden Beschreibung von Episoden gerät das Buch in den Sog einer Handlung. Spannung kommt auf, im klassischen Sinne, es geht um Leben und Tod. Eine groß angelegte Rettungsaktion soll Abtrünnige von der Insel aufs sichere Festland bringen.
Die Akteure dieses Dramas sind zum Großteil weiß. Aber genau darum geht es ja. Um den Umgang der Weißen mit diesem Kontinent, um die Mischung aus Schuldkomplexen, Faszination und Hilflosigkeit angesichts dieser überwältigenden Masse Leben, die Afrika darstellt. Ein gutes Buch. MARTIN HAGER
Adriaan van Dis: „Palmwein oder Die Liebe zu Afrika“. Hanser Verlag, München 2000, 147 Seiten, 25 DM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen