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briefe an die leserInnenEin Weihnachtsfeuilleton

betr.: Gabe, Gegengabe, Genossenschaft

Ungefähr jedes zweite Jahr zur Weihnachtszeit sitzen die Feuilletonisten beisammen und kauen an Zigaretten oder Bleistiften. „Wir müssten mal wieder was Originelles machen“, sagt der eine. „So wegen Weihnachten.“

„Ach, nee“, sagt garantiert ein anderer. Schweigen.

Normalerweise wird eine Frau dann konstruktiv. „Wie wäre es mit einer Seite“, schlägt die Kinoredakteurin vor, „auf der wir die Geschenkmanie aufspießen, diese ganzen hippen Seiten in den angesagten Medien, Miu-Miu- Täschchen und so . . .“

„Ich hätte gern so ein Täschchen“, sagt die Kollegin vom Magazin.

„Ich auch. Für meine Freundin“, sagt Stefan Kuzmany.

„Aber man sollte doch . . .“ – „Wir haben letztes Jahr schon nicht . . .“ – „Der Leser will das so.“

„Ich glaube, den Leser ödet das genauso an wie uns.“ Schweigen.

„Ich hab’s“, ruft dann ein Kollege von den Medien. „Ich hab doch mal Philosophie belegt. Da gab’s mal eine irre Vorlesung, strukturale Anthropologie, und das Prinzip der Gabe, dass so überhaupt die Kultur begann . . .“ Leichte Unruhe in den Gesichtern.

„Ich erinnere mich“, sagt die Theaterredakteurin. „ein Franzose.“

„Und“, fährt der Mann von den Medien fort, „da gab es dieses dolle Ding, irgendwo im Urwald, ein Ritus, wo man sich mit Geschenken gewissermaßen totschlägt, also ruiniert . . .“

Und so kommt der Potlatsch in die Zeitung, liebe LeserInnen. Den wir aus gegebenem Anlaß hier erläutern: Zwei Könige beginnen die Kontaktaufnahme, indem der eine dem anderen was schenkt. Dieser, um nicht beschämt zu sein, schenkt etwas zurück – und zwar etwas, das wertvoller ist als die ursprüngliche Gabe. Der Wiederbeschenkte lässt sich nicht lumpen, schon um der Ehre seines Volkes willen, etc. Am Schluss sind beide Völker ruiniert. Aber, triumphiert der Anthropologe, der Krieg ist vermieden.

So ähnlich geht das klassische Weihnachtsfeuilleton. Und so ähnlich geht es auch zu mit unserer Genossenschaft. Denn noch immer gibt es die taz – dank der Gabe ihrer GenossInnen, die Anteile zeichnen und so den Betrieb am Leben erhalten. Dafür bekommen sie nicht nur die taz, sondern sind auch Miteigentümer.

Für dieses Jahr ist der erfreuliche Umstand zu melden, dass es die taz noch immer gibt und dass sie – dank dem beschriebenen Potlatsch – mit den üblichen Sorgen, aber zunächst ohne Panik ins neue Jahr gehen kann. Das allein ist Grund zu Dank und verhaltenem Jubel. Wir wollen hoffen, dass es so bleibt und immer besser wird. 50.000 Abos würden uns alle ruhiger schlafen lassen und die gemeinsame Arbeit befeuern. Also – möglichst Abos auf den Gabentisch! ELKE SCHMITTER, AUFSICHTSRÄTIN

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