brief des tages:
Fehlendes Bewusstsein
„Ehre, wem keine Ehre gebührt “, taz vom 13. 10. 25
Danke, taz, für den aufklärenden Artikel über Richard Trunk, Komponist aus TBB, zum Thema Ehre, wem keine Ehre gebührt. Zur Aufarbeitung ähnlicher Fälle: Vor zwei Jahren wurde im Rahmen des Stadtjubiläums ein Liederabend des bis zu seinem Tod im nahen Nussdorf ansässigen Komponisten Julius Weismann angekündigt. Einen Professortitel hatte er von Hitler erhalten, war im Vorstand des NS-Komponistenverbands und wurde damals beauftragt, eine Sommernachtstraummusik zu komponieren, die die von Mendelssohn ersetzen sollte.
Zutiefst erschrocken, dass man den Falschen als lokale musikalische Größe und als „Erneuerer der Tonkunst nach dem Krieg“ nach so langer Zeit unbedingt ehren will, hatte ich verschiedene kulturelle Akteure auf Weismann und die Zusammenhänge aufmerksam gemacht. Sein Vater ist übrigens bekannt als Vordenker der Rassenhygiene.
Ich bekam solidarische Antworten aber auch Antworten, ich soll mir über die Person kein Urteil anmaßen, es seien doch anerkannte Werke, er sei nach dem Krieg als Erneuerer wahrgenommen worden, Weismann sei kein überzeugter Nazi gewesen, es habe entlastende Schreiben nach dem Krieg gegeben. Mir als mit Neuer Musik vertraute Musikerin waren eher andere Personen als Erneuerer bekannt, (habe mich an meine frühe Kindheit erinnert, als Leute zu meinem Vater kamen, um von ihm einen Persilschein zu bekommen.) Ich hatte auch die Sängerin und hren Begleiter angeschrieben, der Liederabend fand damals statt. Mich beschäftigt dieses zum großen Teil fehlende Bewusstsein über das Ganze immer noch. Es gab damals in Überlingen KZ-Häftlinge, das wusste auch die Bevölkerung, Es gibt zum Glück auch heute noch Menschen, die daran mit Stolpersteinen erinnern.
Dorle Ferber, Owingen-Taisersdorf
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