brief des tages:
Selbstständig sein ohne Smartphone
„Wir hängen am Smartphone“, taz vom 30. 12. 17
Hallo, Marie von Bremen, schwer war der Rucksack nicht, den ich im Bus brauchte, um Kamera, Stadtplan und Buch mitzunehmen, als ich vor vielen Jahren allein ohne Eltern, Ohrenstöpsel und Smartphone durch Paris zog. Ich hab die Menschen gehört, mit ihnen geredet und die Umgebung beobachtet. Wenn ich heute nach Frankreich komme, weiß ich, wie ich mich orientiere, meine Erinnerungen hängen an vielen selbst gefundenen Orten und Menschen, und ich konnte danach ganz gut Französisch. Wenn du aus Costa Rica zurück bist, kannst du auch nach drei Monaten vermutlich kein Spanisch, bist also ohne Smartphone immer noch sprachlos, und durch Google Maps kannst du dich aus eigener Kraft weder orientieren noch erinnern. Du ersetzt das, was ich in meinem Kopf gesammelt hab, durch dein Smartphone. Schön zudem, dass du deine Eltern immer und überall fragen kannst. Wie lange wird es dauern, bis du dich mal selbstständig in der Welt orientierst? Denn Bildung ist gedächtnisgestützte Urteilskraft und nicht smartphonegestütztes Übernehmen aus dem Netz oder Rumfragen. Wolfgang Neef, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen