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bremer szeneWenn Kinder mit Knisterfolien, Laptops und Vogelspinnen arbeiten

Das ist wie in einem Bus!“, sagt der Kleine und zeigt auf den Monitor. Mit einer Endoskop-Kamera schaut er in das Innere eines Baumstamms. Die etwas krisselige Schwarz-Weiß-Darstellung hat ihn vermutlich an Bildschirme in öffentlichen Verkehrsmitteln erinnert. An diesem Donnerstagmorgen besucht er mit zwölf anderen Vier- und Fünfjährigen die Wanderausstellung in der Bremer Innenstadt über Reggio-Pädagogik. Diese wurde in den 1960er-Jahren in der italienischen Stadt Reggio Emilia entwickelt. Sie begreift Kinder als sich und ihre Umwelt erforschend und stellt ihnen Material und Werkzeug zur Verfügung.

In der Ausstellung, die zuvor in fünf anderen deutschen Städten und davor unter anderem im Museum of Modern Art in New York zu sehen war, gibt es Knisterpapier, Plastiktiere, Pflanzenreste, Pappen, Muscheln, eine tote Vogelspinne und zusätzlich Kameras, Lupen und Laptops. Analog und digital mischen sich hier, deshalb heißt die Ausstellung auch Bordercrossings, also „Grenzen überschreiten“. „Wir begreifen digitale Medien als Werkzeuge“, sagt Katrin Seithel, die die Ausstellung mit drei anderen Frauen nach Bremen geholt hat – ehrenamtlich. Eine von ihnen arbeitet als Erzieherin, Katrin ­Seithel ist Kunstvermittlerin, eine weitere Künstlerin, die vierte, entwirft als Architektin Kindertagesstätten.

An diesem Morgen ist nur Katrin Sei­thel vor Ort. Sie begleitet die drei Er­zie­he­r:in­nen und die Kinder, die aus Bremen-Huchting gekommen sind, einem Stadtteil, in dem überwiegend Menschen in prekären Verhältnissen leben.

Katrin Seithel zuckt nicht mit der Wimper, als ein Kind einen großen Karton mit Verpackungsmaterial auskippt. Andere kommen hinzu, werfen die weißen und grünen Brocken in die Luft, zertreten sie auf dem Betonboden. Auch benutzen die Kinder die Geräte, ohne ständig zur Vorsicht ermahnt zu werden. Es geht dennoch nichts kaputt. Ein Mädchen schiebt sich eine elektronische Lupe in den Mund, ein anderes hält sie an ihre Haare. Beide sind wenig an dem interessiert, was auf dem Bildschirm passiert; das Greifen und Begreifen der Gegenstände steht in diesem Alter im Vordergrund. Andere Kinder wickeln sich in Verpackungsfolie oder stapeln Plexiglas-Klötze aufeinander. Attraktiv ist auch die Station mit einem Mal-Pad, an dem die Kinder Linien zeichnen; ihr Bild erscheint über einen Beamer an der Wand.

Ein Mädchen schiebt sich eine elektronische Lupe in den Mund, ein anderes hält sie an ihre Haare

Geht es nach Seithel und ihren Mitstreiterinnen, bleibt die Ausstellung, die bis Samstag in der Katharinenstraße 12-14 zu sehen ist, über den November hinaus in Bremen. Dafür suchen sie derzeit Sponsoren. Für die Kinder, gerade aus den Vierteln am Rand der Stadt, wäre es ein Gewinn, sagt eine der Erzieherinnen. „Da gibt es nicht so viel Abwechslung, dann sehen sie mal etwas anderes.“ Eiken Bruhn

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